Veranstalter planen Saison um

Popcornstimmung trotz Corona

Film ab! - Abenteuer Autokino. Foto: Michelle Reichelt

In Deutschland sind sie fast in Vergessenheit geraten – die Autokinos. Fernab von Streamingdiensten auf der heimischen Couch, sind sie in Zeiten der Pandemie wieder schwer gefragt. Aus den daraus resultierenden Hygienemaßnahmen entdecken Veranstalter nun das Autokino neu für sich. Vielerorts eröffnen bereits zahlreiche Kinos.

BÖNEN. Netflix, Amazon Prime, Disney Plus – wohl die einzigen Begriffe, die der Mehrheit der Menschen für einen schönen Filmeabend einfallen. Aufgrund der Corona Krise bleiben die Kinos erstmal flächendeckend geschlossen. Da bleibt den Filmfreunden dann aber auch nichts anderes übrig, als sich Filme auf einem Streamingportal anzusehen.  

In den vergangenen Wochen sind nahezu alle Veranstaltungen abgesagt worden. Auch für die nächste Zeit wird es wegen der Corona Krise weder Theatervorstellungen noch Kinovorführungen geben. Fast die gesamte Unterhaltungsbranche steht still – mit Ausnahme von Autokinos. Hier sind die Plätze Abend für Abend ausgebucht. Bis vor Kurzem hörte sich das Erlebnis, in einem Autokino zu sitzen, wie ein Überbleibsel aus der guten alten Zeit an.Seit der Krise feiert es sein Comeback – denn sie bieten nicht nur die Möglichkeit, kontaktlos Kultur zu erleben, sondern dem Stubenarrest einen Abend lang zu entkommen und etwas zu unternehmen.  

Ein Ort der Nostalgie?  

Die Fünziger waren die große Zeit der Autokinos. Seinen Ursprung hat das Autokino in den USA. In dieser Zeit gab es allein in den USA rund 4.000 Autokinos, und viele konventionelle Kinos in den Innenstädten mussten aufgrund der Konkurrenz in den Vorstädten schließen. Das erste Autokino Europas steht in Deutschland und ist noch immer in Betrieb. Es wurde 1960 in Grafenbruch bei Frankfurt eröffnet. Heute ist es für viele Jüngere nur ein nostalgischer Mythos, denn in Deutschland gibt es nur noch wenige davon. Im Jahr 2007 hat es in Deutschland noch 31 Autokinos gegeben, seitdem ging die Zahl stetig zurück. Laut einer Studie von Filmförderungsanstalt (FFA) belief sich im vergangenen Jahr die Zahl auf 18. Frankfurt, Essen, Köln, Brandenburg, Dresden, München sind einige der verbliebenen Stellen. Bis jetzt aber in 2020 erleben die Autokinos dank der Corona-Krise ein Revival.

Das Autokino war zwar zwischenzeitlich fast vergessen, dabei waren sie in den 1950er und 1960er Jahrengar nicht einmal so selten. Für die Betreiber, aber auch für Fans des motorisierten Kino-Besuchs ist das Revival des Autokinos jedoch ein besonderer Grund zum Feiern. Das Autokino in Deutschland wird im Jahr 2020 sechzig Jahre alt. Für die jüngere Generation dürfte diese Art von Kultur, eine praktische Lösung sein, die während den Corona-Tage wenigstens ein bisschen Unterhaltung abseits der heimischen Couch bietet.  

Eventmanager bangen um ihre Existenz 

 Ein Blick in die Vergangenheit regt neue Gedanken, zu scheinbar längst vergessenen Unterhaltungsmöglichkeiten an. Und die Zeichen der Zeit hat das Veranstalterteam der Agentur Neovaude schnell erkannt. Der Veranstalter und Projektleiter der Dortmunder Agentur Neovaude, Simon Schlomberg hatte vor Corona seinen Schwerpunkt auf die Umsetzung von Großevents gelegt. Doch in Corona-Zeiten gibt es keine Events und das bedeutet für die Agentur keine Arbeit. Jetzt stecken sie ihre Energie in das Projekt des Autokinos Dortmund. Denn fehlende Besucher und einbrechende Umsätze bringen einige Eventveranstalter auf neue Ideen. „Es war relativ schnell klar, dass Alternativen kommen mussten. Denn kein Umsatz ist halt keine Option", so Simon Schlomberg Veranstalter vom Autokino Dortmund. 

Laut Bundesnetzagentur gibt es derzeit so viele Anträge auf die Erteilung von Frequenzen für Autokinos wie noch nie. Seit Anfang März wurden bereits in über 140 Fällen Frequenzen zugeteilt. Alle sind immer rappelvoll. „Der Andrang ist groß, fast jede Vorstellung ausverkauft, auch unter der Woche. Von insgesamt 28 Kinoabenden hatten wir an 23 Abenden eine ausverkaufte Fläche und das ist grundsätzlich nach 230 Autos erreicht“, so Schlomberg. Der Einlass beginnt deshalb schon eine Stunde vor Filmstart. Die gezeigten Filme dort, sind zwar nicht immer neu, jedoch achten die Veranstalter darauf, dass das Publikum den einen oder anderen Blockbuster zu sehen bekommt.  

Voraussetzungen und Organisation  

Die Voraussetzungen, um ein eigenes Kino zu eröffnen sind relativ simpel. Grundsätzlich werden nur eine passende Fläche, ein Projektor und eine Leinwand gebraucht. Ebenso kommt noch eine eigene Ultrakurzwelle (UKW) dazu. Diese befördert den Filmton über das Radio in die anwesenden Autos. Aufgrund der Schließungen der klassischen Kinos, kam auch das Cineplex in Hamm auf die Idee ein Autokino zu eröffnen. Der Geschäftsführer Kim Ludolf Koch erzählt von den Voraussetzungen und der Organisation einer Eröffnung. „Neben der Infrastruktur vor Ort mit Technik und Gastronomie fällt natürlich die meiste Arbeit bei der Planung, Kommunikation und Programmauswahl an“, erzählt er. „Denn jeder Film muss separat bei dem entsprechenden Verleiher angefragt, gebucht und abgerechnet werden“.    

Formale Voraussetzungen, um ein Kino zu eröffnen sind unter anderem ein Gewerbeschein und eine Betriebserlaubnis. Das Gewerbeamt informiert automatisch alle weiteren Stellen, die von der Kinoeröffnung betroffen sind. Zu ihnen gehört das Finanzamt, die örtliche Industrie und Handelskammer (IHK) und die Bauaufsicht. Letzteres ist dafür zuständig, die Einhaltung der behördlichen Auflagen zu kontrollieren, wie beispielsweise der Brandschutz oder die Sanitäranlagen. Ebenso gelten in mancher Hinsicht besondere Regeln für Autokinos: “Die Standortwahl muss gut geplant sein, beispielsweise in einem Gewerbegebiet. Ebenfalls muss die Fläche groß genug sein, um sämtlichen Gästen einen Stellplatz mit guter Sicht auf die Leinwand zu bieten”, sagt der Geschäftsführer vom Cineplex.

Kontaktfreies Kino  

In Zeiten der Corona Krise erfährt das Filmerlebnis in den eigenen vier Autowänden derzeit einen nie gekannten Boom. Schließlich machen sie das Filmerlebnis möglich, ohne dabei die in der Pandemie geltenden Regeln zu verletzen. Wer allein in seinem Wagen sitzt, kann schließlich niemand anderen anstecken. Doch auch eine zweite nahestehende Person oder Familienangehörige kann im Auto Platz nehmen, ohne gegen die Abstandsregeln zu verstoßen. “Die Fenster bleiben am besten geschlossen. Ausgestiegen wird nur, um die Toilette aufzusuchen. Der Abstand zwischen den Autos beträgt mindestens zwei Meter", erklärt Julien Sokolowski vom Autokino Hamm Uentrop. „Trotz Corona bleibt der Filmgenuss im eigenen Auto der gleiche, wie vor Corona-Zeiten“, betont er. In jedem Auto befinden sich Essen und Getränke, während die Handlung akustisch über die lokale Frequenz ins Auto gebracht wird und aus den Autoboxen ertönt.  

Ab dem 30. Mai dürfen Theater und Kinos in Nordrhein-Westfalen wieder unter Auflagen öffnen. Doch wie es dann mit den Autokinos weitergehen wird, kann jetzt noch niemand sagen. „Das Format wird in der Form auf jeden Fall nicht dauerhaft bestehen, ist aber auch nicht hundertprozentig von der Krise abhängig“, meint Simon Schlomberg.  „Wir haben bereits seit Jahren den Plan ein Autokino umzusetzen und ‘brauchten’ erst Corona, um dies auch zu tun. Daher bin ich mir sicher, dass wir in Dortmund das Format auch in den kommenden Jahren immer mal wieder aufgreifen werden“.

Von Michelle Reichelt
Veröffentlicht am 16.05.2020

Michelle Reichelt

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