Ein Theaterstück im Mendener Amateur Theater

Zwei Darsteller, eine Bühne und zwei Kinderwagen – fertig ist ein Theaterstück

Dankward (links) und Hartwig sind die beiden einzigen Rollen des Stücks. Foto: Daniel Immel
Alt aber gemütlich, die Sitze im kleineren Saal geben dem Raum viel Charme. Foto: Daniel Immel
Ein modernes und jugendliches Ambiente führt zur oberen Etage. Dort ist das Theater beheimatet. Foto: Daniel Immel
Vor dem Einlass in den Saal können sich Gäste hier noch einen letzten Durstlöscher gönnen. Foto: Daniel Immel

MENDEN. Theater und ich? Naja, eine Liebesgeschichte sieht anders aus. Ich bevorzuge eher das Kino, den Spielfilm auf der eigenen Couch oder halt eben andere Dinge, mit denen ich meine Abende füllen kann. Bisher war ich erst einmal im Theater, „Iphigenie auf Tauris“ im Apollo-Theater in Siegen, in der gymnasialen Oberstufe. Kurzum, es war nicht so meins. Teil zwei stand also am 07. Juni an, diesmal führte mich meine Reise nach Menden.

Ich will ehrlich sein, ich war nicht davon überzeugt, ob ein Theaterstück mich erreichen kann. Vor allem, so dachte ich, ist Menden nicht diese allseits bekannte Theaterhochburg wie Wien oder Budapest. Und dann auch noch ein Amateurtheater? Doch da wurde ich eines besseren belehrt.

Theater in ehemaligen Fabrikräumlichkeiten

Das Mendener Amateur Theater (M.A.T.) gibt es bereits seit 60 Jahren und kann als Verein betrachtet werden. Die Mitwirkenden, egal ob Darsteller oder Thekenkraft, arbeiten ehrenamtlich. Ebenso kann jeder im Verein jede Rolle einnehmen, sei es als Darsteller, in der Technik oder an der Kasse. „Jeder kann alles machen“, sagt Uli Müthing, der zweite Vorsitzende. M.A.T. ist seit 2017 in einer ehemaligen Fabrik beheimatet. Es gibt zwei Bühnen, die in Eigenregie angefertigt wurden. Das Stück, das ich besuche, „Mondlicht und Feinripp“ findet im kleineren Saal, der knapp 30 Leute fasst, statt.

Da sitze ich also nun, im kleineren Theatersaal, dem MAT*chen. In der dritten und letzten Reihe ganz rechts außen am Rand. Der perfekte Platz, um alles zu beobachten und niemanden mit meinen Mitschriften zu stören. Gestaltet ist das heutige Bühnenbild äußerst minimal. Eine Parkbank, eine Mülltonne daneben und im Hintergrund grün angeleuchtete Vorhänge. Obwohl die Bühne äußerst simpel gestaltet ist, erkenne ich bereits, was es darstellen soll: einen Park in einer Stadt. „Die Schauspieler sollen wirken und nicht die Kulissen“, erklärt Uli Müthing die absichtlich minimalistisch gehaltene Gestaltung. Aber ich finde, die Bühne wirkt auch.

Hartwig und Dankward, zwei äußerst verschiedene Charaktere

Nachdem ich mir äußerst detailliert alles ansehen konnte, beginnt das Stück, bestehend aus nur zwei Darstellern. Die beiden Figuren heißen Hartwig und Dankward. Ein junger Vater mit Kinderwagen befindet sich im Park, er macht es sich auf der Parkbank bequem, Hartwig ist es. Ein wenig später trifft der zweite Familienvater, Dankward, mit Kinderwagen ein. Beide sitzen nun nebeneinander auf der Bank, jedoch ohne ins Gespräch zu kommen. Durch verschiedene Umstände ändert sich dies allerdings schlagartig.

Mit der Zeit wird die Stimmung zwischen beiden immer lockerer, dennoch erkenne ich, wie verschieden die beiden Väter sind. Dankward wirkt auf mich spießiger und steifer in seiner ganzen Art, aber dennoch wie ein erfolgreicher Berufstätiger. Ihm steht der locker -und cool-wirkende Hartwig gegenüber, beruflich ist er Kautschuk-Zuschneider. Es prallen also zwei verschiedene Welten aufeinander. Dankward braucht etwas Zeit, um sich zu öffnen. Er hat zwar heute Geburtstag, doch seine gesamte Familie, die Zuhause ist und seinen Geburtstag „feiert“, nervt ihn. Sein einziger Ausweg ist es, das Haus zu verlassen. Hartwig hört anfangs gelangweilt zu. Nach einer Zeit gibt er Dankward Tipps, wie er mit seinen anstrengenden Verwandten umzugehen habe. Die Dialoge der beiden werden mit der Zeit immer witziger. Selbst ich, eigentlich kein Freund des Theaters, komme ins ständige Lachen.

Immer wieder gibt es ironische Situationen mit den beiden Babys, die durchgehend im Kinderwagen liegen, mindestens einmal wird jedes Kind unabsichtlich geweckt. Beide Väter haben jedoch verschiedene und teils eigenartige Methoden, ihre Sprösslinge zu beruhigen. Ebenso machen die beiden nun Wettkämpfe gegeneinander, beispielsweise Kinderwagen-Wettrennen oder welche vollgemachte Windel mehr wiegen würde. Hartwig hat eine Küchenwaage dabei.

Verschiedene Menschen, ähnliche Probleme

Nach einer Zeit dreht sich das Blatt rapide. Der anfangs steif und verunsichert wirkende Dankward wird lockerer, nimmt nun sogar ein Bier seines Nachbarn an, welches er vorher noch dankend abgelehnt hatte – diese Szene ist bezeichnend für die Wandlung, die beide vornehmen. Der so lässig erscheinende Hartwig, zeigt nun seine Gefühlslage. Freunde und Bekannte sind bei ihm Zuhause, alles Akademiker, bis auf ihn selbst. Er fühlt sich nicht wertgeschätzt und sieht den Ausflug mit Kind als letzten Ausweg vor diesen Besserwissern.

Während ich zu Beginn beide Personen kritisch beäugt habe, werden sie mir nun sehr sympathisch. Eines was mir auffällt, ist, dass beide eigentlich relativ ähnlich im Wesen sind. Sie sind genervt von ihrer Umgebung und können Zuhause nicht damit umgehen. Einziger Unterschied ist die Art und Weise, wie sie damit umgehen. Hartwig will nach außen Stärke und Lockerheit zeigen, Dankward versucht routiniert zu wirken, erreicht damit jedoch das Gegenteil.

Symbolisch ist für mich vor allem eine Situation: Durch das Kinderwagen-Rennen wurde beiden Figuren warm, Hartwig zog daraufhin sein Hemd aus – fortan bekleidet ihn obenrum nur noch sein Feinripp-Unterhemd. Zusätzlich bricht der Abend an, es wird dunkel. Nun unterhalten sich die beiden über ihre Frauen und deren Vorlieben. Vor allem Dankward blüht absolut auf. Er spricht von Romantik und dass für ihn das Mondlicht unglaublich wichtig für Romanze sei. Hartwig hingegen erklärt seiner Frau immer die Sterne. Aber mal abgesehen von Romantik und Vorlieben der Frauen: Diese Situation, Hartwig trägt Feinripp und Dankward erklärte Romantik im Mondlicht, ist für mich der prägende Moment des Stücks. Wie der Name schon sagt: „Mondlicht und Feinripp“. Am Ende sind sich die beiden sehr sympathisch und scheinen etwas vom anderen gelernt zu haben.

Der Hitze getrotzt

Mir persönlich gefällt das Stück sehr gut. Es sind zwar nur zwei Schauspieler und ein simples Bühnenbild, dennoch spielt sich bei mir quasi ein richtiger Film in meiner Fantasie ab. Mit meiner Meinung stehe ich nicht alleine da. „Ich fand es total amüsant und beachtlich für zwei Leute“, erzählt mir eine Zuschauerin, die namentlich jedoch nicht genannt werden möchte. Christian Scholz, ein weiterer Augenzeuge, befindet: „Man fühlt sich 25 Jahre zurückversetzt.“

Nachdem ich mir ein paar Stimmen aus dem Publikum besorgt hatte, wollte ich nun auch die beiden Darsteller befragen. Sie geben zunächst an, dass es die bisher anspruchsvollste Darbietung dieses Stückes gewesen sei, schließlich ist es ein heißer Sommertag und die schwarze Bühne nimmt die Hitze wunderbar auf. Holger Schrör, er spielt Dankward, sagt: „ Für so ein Stück braucht es 1000 Prozent Konzentration.“ „Es ist anstrengend bei der Hitze“, ergänzt Oliver Smith, Darsteller des Hartwig. Die Erschöpfung und Anstrengung ist den beiden anzusehen.

Improvisation will gelernt sein

Doch für mich ist nicht nur die Hitze ein Grund dafür, warum ich das Stück als so anspruchsvoll empfinde. Die Hauptschwierigkeit besteht meiner Ansicht nach darin, dass man nur zu zweit auf der Bühne ist und keine Pausen während des Stücks hat. Oliver Smith stimmt mir zu: „ Man muss sich aufeinander verlassen können.“ Beide geben an, dass sie einmal improvisieren mussten, mir persönlich ist es jedoch nicht aufgefallen.

Dennoch, trotz Hitze und Improvisation, ist es eine runde Sache. Wer mich während des Stückes beobachtet haben sollte, konnte eines auf jeden Fall erkennen. „Mondlicht und Feinripp“ zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Als ich die Räumlichkeiten des Mendener Amateur Theaters verlasse und den Weg zu meinem Auto aufsuche, versuche ich einen Vergleich mit meinem ersten Theater-Besuch herzustellen – erfolglos. Ich entscheide mich dafür, den ersten Besuch vor ein paar Jahren als schlechtes erstes Date mit dem Theater abzustempeln und stattdessen den heutigen Besuch als erfolgreiches zweites Date einzuordnen. Abwarten, ob die Liebesgeschichte zwischen mir und dem Theater weitere Akte erleben darf. Der letzte Akt macht mir allerdings Appetit auf mehr.

Von Daniel Immel
Veröffentlicht am 11.06.2018