Dr. Jan Philipp Burgard:

„Ich war fasziniert von der Möglichkeit jenen eine Stimme zu geben, die sonst niemand hört!“

Seit 2017 arbeitet Dr. Jan Philipp Burgard als ARD-Korrespondent in Washington D.C.. Foto: Dirk Anschütz
Korrespondent Burgard bei der Berichterstattung über Hurricane Irma in Miami. Foto: Jan Philipp Burgard
Für sein Buch "Ausgeträumt, Amerika?" reiste er quer durch die USA. Foto: Jan Philipp Burgard

WASHINGTON. Schon im Alter von 13 Jahren träumt Dr. Jan Philipp Burgard davon, Journalist zu werden – heute ist der gebürtige Iserlohner USA-Korrespondent und stellvertretender ARD-Studioleiter in Washington D.C.. Bereits 2008 lernt er erstmals seinen heutigen Arbeitsplatz kennen: Burgard absolviert während des Studiums Praktika in den Auslandsstudios von ARD und ZDF. Seit 2017 ist die amerikanische Hauptstadt nun sein Dreh -und Angelpunkt. MAERKZETTEL sprach mit ihm über die USA, Washington, seine Heimat Iserlohn und andere interessante Themen.

MAERKZETTEL: Wo fühlen Sie sich wohler: In Iserlohn oder in Washington D.C.?

Dr. Jan Philipp Burgard: Das ist schwer zu vergleichen. Es gibt für mich da kein „entweder oder“, sondern nur ein „sowohl als auch“. Es ist immer wieder schön, nach Iserlohn zu kommen. Aber Washington ist auch schon zu einer zweiten Heimat geworden.

Sie kommen gebürtig aus Iserlohn. Was vermissen Sie am meisten an Iserlohn, was Ihnen Washington D.C nicht bieten kann?

Am meisten vermisse ich meine Verwandten und meine Freunde. Die meisten meiner Freunde, mit denen ich zur Grundschule gegangen bin, leben noch heute in Iserlohn. Außerdem fehlt mir die gutbürgerliche Küche sehr. Und natürlich die Eishockey-Spiele der Roosters.

Wie wichtig ist Ihnen der Bezug zu Iserlohn?

Iserlohn ist meine Heimat, der ich mich immer noch stark verbunden fühle und der ich auch viel zu verdanken habe. Zum Beispiel habe ich am Gymnasium an der Stenner viel gelernt, das heute zu meinem journalistischen Handwerkszeug gehört, wie strukturiert Texte zu schreiben oder Englisch zu sprechen. Wenn ich heute nach Iserlohn komme, spüre ich noch immer ganz viel Wärme. Und ich spüre ein großes Interesse an meiner Arbeit. Zu der Vorstellung meines Buches „Ausgeträumt, Amerika?“ sind 500 Iserlohner ins Parktheater gekommen. Das hat mir viel bedeutet.

War es schon immer Ihr Traum, ein bedeutender Journalist zu werden?

Ich hatte tatsächlich schon mit 13 Jahren den Traum, Journalist zu werden. Ich war fasziniert von der Möglichkeit, jenen eine Stimme zu geben, die sonst niemand hört. Und ich fand den Gedanken reizvoll, überall auf der Welt unterwegs zu sein und spannende Menschen zu treffen. Außerdem wollte ich immer einen Job haben, an dem kein Tag so ist wie der andere.

Was ist das Besondere an dem Beruf Auslands-Korrespondent?

Die Besonderheit am Job des Auslands-Korrespondenten ist, dass man ein „Allrounder“ sein muss. Das heißt, man muss die unterschiedlichen journalistischen Formen beherrschen: Von der Live-Schalte aus dem Hurrikan-Gebiet über den politischen Analyse-Beitrag aus dem Weißen Haus bis hin zur langen Dokumentation über den Klimawandel in Alaska. Dafür sollte man Vielseitigkeit, Leidenschaft und Belastbarkeit mitbringen.

In Bezug auf Ihr Buch „Ausgeträumt, Amerika?“. Ihre Reise führte Sie quer durch die Vereinigten Staaten, sie sprachen mit verschiedensten Personen, wie fällt Ihr persönliches Fazit über dieses Land aus?

Ich habe mich umgehört: bei den Hillbillys in West Virginia, entlang der Route 66, in Las Vegas und in Silicon Valley. Ich habe Cowboy-Kids in Texas getroffen, einen Sheriff an der Grenze zu Mexiko, Arbeiter in Kentucky, Umweltaktivisten in Alaska, Politiker und Journalisten in Washington. Mein Fazit: Amerika ist ein Land voller Widersprüche. Es kämpft mit Herausforderungen wie Armut, Rassismus, Strukturwandel und Klimawandel. Die Zukunftsängste wachsen. Viele Amerikaner haben sich von der politischen Elite vergessen, verraten und verachtet gefühlt. Trump empfinden viele als Retter, der für ihre Interessen kämpft und Industriejobs zurück in die USA holt.

Was schätzen Sie am meisten an Amerika?

Den unerschütterlichen Optimismus vieler Amerikaner und die Kinderfreundlichkeit.

2008 waren Sie bereits in Washington D.C. tätig. Wie hat sich der Stimmung der Amerikaner verändert?

Mein Eindruck ist, dass es für viele Amerikaner in den vergangenen Jahren zunehmend schwerer geworden ist, den amerikanischen Traum zu verwirklichen. Früher hieß es ja, dass es jeder, unabhängig von seiner Herkunft, zu Glück und Wohlstand bringen kann, wenn er hart arbeitet und sich an die Regeln hält. Dieses Versprechen erfüllt sich für immer weniger Amerikaner. Deshalb habe ich auch „Ausgeträumt, Amerika?“ als Titel für mein Buch gewählt.

Ebenfalls im Vergleich zu 2008: Wie hat sich die Stimmung unter Trump verglichen zu der Stimmung unter Obama verändert?

Als ich 2008 während des Wahlkampfes von Barack Obama in den USA unterwegs war, spürte ich eine große Aufbruchsstimmung. Die Worte Hoffnung und Wandel fielen immer wieder. Heute erlebe ich sehr viel Wut und Angst.

Ihre ersten journalistischen Schritte machten Sie bei dem Iserlohner Kreisanzeiger. Stehen Sie nun noch in Kontakt mit dem IKZ?

Ja, mit Redaktionsleiter Thomas Reunert bin ich regelmäßig in Kontakt. Er hat auch die Buchvorstellung von „Ausgeträumt, Amerika?“ moderiert. Beim IKZ konnte ich mit 15 Jahren als freier Mitarbeiter meine ersten Schritte in den Traumberuf Journalismus unternehmen.

Sie haben bereits viele namenhafte Menschen erlebt.Welche Person hat sie am meisten inspiriert?

Barack Obama hat mich inspiriert, weil er ohne Vater aufgewachsen ist und es aus einfachen Verhältnissen stammend bis zum Präsidenten gebracht hat. Für immer in Erinnerung bleibt mir auch eine Begegnung mit George Bush Senior, der als US-Präsident ja die deutsche Wiedervereinigung maßgeblich ermöglicht hat. Er hat mir vor Augen geführt, wie sehr Geschichte von Menschen gemacht wird.

In Amerika gibt es quasi kein öffentlich-rechtliches Medium, wie es in Deutschland existiert. Während ihrer Amerikareise, die Sie quer durchs Land geführt hat, trafen sie auf verschiedenste Menschen und Meinungen. Hätte eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in Amerika einen positiven Nutzen?

Absolut. Denn die Medien in den USA tragen zur Spaltung des Landes bei. Die TV-Sender sind abhängig von Werbeeinnahmen und damit von Quoten. Deshalb setzen sie auf die Logik der Unterhaltungsbranche: Krawall ist spannender als Konsens, Personen sind interessanter als politische Programme. Und die Zuschauer schalten nur noch den Sender ein, der ihre Meinung bestätigt: Trump-Anhänger schauen FOX News, Trump Kritiker MSNBC.

Wie wichtig ist der Erhalt des öffentlich-rechtlichen in Deutschland?

Aus meiner Sicht zeigt der Blick in die USA, wie wichtig der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Demokratie ist. Wir bieten unabhängige und seriöse Berichterstattung, nach der man in Amerika lange suchen muss.

Von Daniel Immel
Veröffentlicht am 28.05.2018