Kinder- und Jugendhospiz Balthasar

„Leben und Lachen, Sterben und Trauern“

Rüdiger Barth leitet das Hospiz Balthasar seit knapp 18 Jahren. Foto: Tamara Berg

In dem Kinder- und Jugendhospiz Balthasar in Olpe, können sterbenskranke Kinder und Jugendliche gemeinsam mit ihren Familien die verbleibende Zeit verbringen. Für viele bedeutet so eine Einrichtung Trauer und Schmerz, ohne Freude. Doch wie sehen der Alltag und die Atmosphäre in einem Hospiz in Wirklichkeit aus? MAERKZETTEL war vor Ort und hat mit dem Hospizleiter Rüdiger Barth gesprochen.

OLPE. Das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar wurde am 18. September 1998 als erstes Kinderhospiz in Deutschland eröffnet. In den vergangenen Jahren wurde die Einrichtung weiter ausgebaut, die medizinische Versorgung optimiert und eine liebevolle familiäre Beziehung zwischen den Gästen, Familien und den Mitarbeitern aufgebaut. Das Hospiz finanziert sich ausschließlich über Spenden, doch diese fallen momentan aufgrund der Corona-Krise zum größten Teil weg.

MAERKZETTEL: Wie hat sich das Kinderhospiz im Laufe der vergangenen Jahre verändert?

Rüdiger Barth: Als vor über zwanzig Jahren das Kinderhospiz Balthasar gebaut wurde, konnte noch nicht abschätzt werden, dass hier so schwerkranke Kinder aufgenommen werden würden. Wir haben heute überwiegend Intensivpatienten. Unsere Gäste sind heute deutlich kränker und pflegeintensiver. Dies fängt bei der Beatmung an und geht hin bis zu Kathetern und implantierten Schmerzpumpen. All das gab es damals noch nicht.

Sind alle Pflegezimmer durch die immer kränkeren Kinder und Jugendlichen zu Intensivzimmern umfunktioniert worden?

Jedes Zimmer kann mit ein paar Handgriffen zu einem Intensivzimmer umfunktioniert werden. Wir haben acht Einzelzimmer für die Kinder im Erdgeschoss. Für die Jugendlichen stehen vier Zimmer auf der gleichen Ebene zur Verfügung. Es gibt insgesamt zwölf Plätze für die Kinder und Jugendlichen. Ihre Eltern schlafen in einem eigenen Zimmer. Diese Schlafzimmer befinden sich eine Etage über ihren Kindern.

Wie sieht es aus, wenn die Zimmer belegt sind, leiten sie die Familien dann an andere Hospize in der Umgebung weiter?

Wir haben die Regelung, dass immer ein Zimmer frei gemacht werden muss, sobald eine Familie uns kurzfristig besuchen kommt. Dies wissen die anderen Familien auch. Die Situation kommt mehrmals im Jahr vor. Eine Familie, die hier bei uns zu Gast ist, muss unter Umständen kurzfristig abreisen, damit eine andere Familie, die in Not ist, hier einen Platz bekommt. Eine kurzfristige Aufnahme der Kinder und Jugendlichen, egal in welchem Alter, ist also für uns kein Problem und für die Familien, die deshalb vorübergehend abreisen müssen, auch nicht.

In welchem Alter sind die Kinder und Jugendlichen in der Regel?

Die Jüngsten, die wir begleiten sind Babys, die gerade einmal 14 Tage alt sind. Die meisten von ihnen sind mit einem nicht zu operierenden Herzfehler geboren worden. Sie kommen hier hin, um zu sterben. Die ältesten Gäste sind Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von etwa Mitte zwanzig. Wir begleiten zum Teil auch 27- und 28-Jährige. In diesem Alter leben sie in unserem Jugendhospiz, welches nebenan liegt.

Wie wird mit Problemsituationen umgegangen, wenn kein Arzt vor Ort ist?

Wir sind alle so geschult, dass wir in Notfällen eingreifen können. Ich selbst habe fast zwanzig Jahre eine Intensivkinderstation als Kinderintensivpfleger geleitet. Viele Kollegen haben ebenfalls auf einer Intensivstation gearbeitet. Zudem absolvieren unsere Mitarbeiter jedes Jahr eine entsprechende Schulung für solche Situationen und bilden sich weiter fort. Für Notfälle haben wir Kooperationen mit einem Kinderarzt und Schmerztherapeuten. Diese sind gerade für die letzte Lebensphase der Kinder und Jugendlichen hier, um sie mit Palliativ Medizin zu versorgen. Die Palliativ Medizin wird als Behandlung eingesetzt, um Beschwerden wie den Schmerz bei begrenzter Lebenserwartung zu lindern.

Wie kam es dazu, dass Sie sich nach so vielen Jahren als Kinderintensivpfleger für einen Berufswechsel zur Hospizleitung entschieden haben?

Ich war ursprünglich Bankkaufmann und über den Zivildienst, den es damals noch gab, kam ich in die Kinderklinik. Dort habe ich eine Ausbildung zum Kinderkrankenpfleger gemacht und bin anschließend auf die Intensivstation gewechselt. Das war natürlich Kindernotfallmedizin auf höchstem Niveau. Ich bin mit dem Nottransport immer dahingefahren, wo Kinder schwerkrank waren. Viele Kinder sind während meiner Berufszeit gestorben. Nach fast zwanzig Jahren habe ich entschieden, mich der Lebensqualität zu widmen, die einem noch verbleibt. Ich bin zufällig, über eine Stellenanzeige, zu diesem Beruf den ich jetzt seit 18 Jahren als Hospizleiter ausübe, gekommen.

Was ist aus Ihrer Sicht das Schönste für Sie an dem Beruf als Hospizleiter?

Es gibt viele schöne Momente, ganz klar. Die meisten Menschen denken, dass jemand der in einem Hospiz arbeitet, dort nur mit leidenden und schwerkranken, sterbenden und schreienden Kindern zu tun hat. Es gibt viel mehr Lebensfreude und Fröhlichkeit, als es sich Außenstehende vorstellen können. Wir versuchen die verbleibende Zeit so schön und angenehm wie möglich zu gestalten. Wir wissen, dass die Kinder und Jugendlichen sterben werden, die bei uns zu Gast sind, aber unsere Aufgabe ist, das Beste für sie daraus zu machen. Es sind die Momente, wenn ein Neunjähriger laut beim Mittagessen ruft: „Ihr macht die köstlichste Tomatensuppe der Welt“. Oder, wenn eine junge Frau für ihre Beerdigung eine Powerpointpräsentation erstellt. Vielleicht hört sich das zunächst etwas komisch an, aber es ist schön, wenn wir sie dabei unterstützen und ihre Freude und das Glück in ihren Augen und dem Lächeln sehen können.

Stirbt jeder, der in einem Hospiz lebt oder gelebt hat zwangsläufig oder gibt es auch Ausnahmen?

Ich werde häufig danach gefragt, ob es sogenannte Wunder oder Kinder gibt, die dann doch wieder gesund werden. Aber, wenn jemand in ein Hospiz kommt, egal, ob als Kind, Jugendlicher oder auch als erwachsener Mensch, dann muss die Diagnose stehen, dass eine unheilbare Krankheit, die zum Tod führt, vorliegt. Die Eltern und Familien entscheiden selbst, wo das Kind seine letzte Lebensphase durchläuft. Das Hospiz macht immer nur Angebote. Das heißt, dass sie in der letzten Lebensphase hierherkommen können, damit das Kind oder der Jugendliche hier stirbt. Manche Jugendliche, ziehen vor dieser Phase gemeinsam mit ihren Partnern ein. Bei Kindern kommen die Familie und Geschwister mit. Auf diesem Weg begleiten wir sie und versuchen diese Zeit mithilfe von verschiedenen Aktionen, so schön und angenehm wie möglich zu gestalten.

Jedoch kommt es auch teilweise vor, dass sie es nicht mehr schaffen hier her zu kommen, wenn es dem Kind so schlecht geht, da die Anreise für manche sehr weit ist. Die meisten Kinderhospize und auch wir, haben ein Einzugsgebiet von 150 bis 200 Kilometern.

Welche Aktionen bieten Sie speziell für die Kinder und Jugendlichen an, um die verbleibende Zeit so schön wie möglich zu gestalten und wie wird der Tagesablauf geregelt?

Wir bemühen uns den Tagesablauf, den die Kinder von zu Hause kennen, auch hier weiter zu führen. Unser gemeinsames Mittagessen findet jeden Mittag um die gleiche Uhrzeit in dem Gemeinderaum, der einem Küchen- und Esszimmer ähnelt, statt.  Alles andere, wie beispielsweise Bastelaktionen oder Musikspielaktionen, gestalten wir Pfleger mit den Familien, Kindern und Jugendlichen so, wie es eben geht. Es ist immer die ganze Familie zu Gast und gemeinsam planen wir den Tag so, dass es möglichst abwechslungsreich wird.

Ihr begleitet die Kinder und Jugendlichen mit ihren Familien täglich. Wie sieht die Beziehung zwischen den Familien und den Mitarbeitern aus?

Es ist natürlich so, dass zu Familien, die für mehrere Monate oder Jahre immer wieder zu uns kommen, eine persönliche Beziehung entsteht. Das ist auch so gewollt und der Unterschied zum Krankenhaus oder Altersheim. Wir sind viel näher an ihnen. Jedoch muss auch jeder der 70 Mitarbeiter die Verantwortung tragen, berufliches und privates trennen zu können. Sie können nicht bei jedem Kind mit sterben, so schwer der Verlust auch ist. Als Verantwortliche müssen wir natürlich auch daran denken, dass unsere Mitarbeiter gesund bleiben.

Das Hospiz finanziert sich über Spenden. Welche Aktionen veranstalten Sie neben dem Tag der offenen Tür, um Spenden zu erhalten und auf sich aufmerksam zu machen?

Balthasar benötigt für ein Jahr über eine Million Euro an Spendengeldern. Deshalb müssen wir immer unterschiedliche Aktionen starten, um Spendengelder zu sammeln. Das Interview, was wir gerade führen, ist nichts Anderes. Wir versuchen, das Hospiz bekannt zu machen. Ansonsten lebt das Haus von kleinen Tausend Spendenbeträgen mit zehn oder zwanzig Euro im Monat, aber auch von Firmen- oder Spendenaktionen. Uns ist wichtig, die Menschen hier hin einzuladen, damit sie sehen, wohin die Spenden gehen. Für den Tag der offenen Tür gehen unsere Gäste und Familien für einen Tag nach Hause oder in ein Krankenhaus, um ihre Privatsphäre zu schützen.

Finanzielle Sorgen

Das Corona-Virus wirkt sich auch negativ auf das Balthasar Kinder- und Jugendhospiz in Olpe aus und stellt die Einrichtung vor extreme finanzielle Probleme. Das Hospiz finanziert sich überwiegend von Spenden und diese fallen momentan zum größten Teil weg. Aktionen wie der Tag der offenen Tür, können aufgrund der aktuellen Lage nicht stattfinden, um die Kinder- und Jugendlichen, sowie auch die Familien und Mitarbeiter zu schützen. Das Balthasar bittet um Unterstützung, um weiterhin die Bedürftigen optimal medizinisch versorgen zu können.

Balthasar Hospiz

Weitere Informationen und Spendenanträge für das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar in Olpe findet ihr hier.

Von Tamara Berg
Veröffentlicht am 05.06.2020