Aus 2 mach 1: Haben kleine Städte noch eine Zukunft?

Wappen mit Zukunft? Im Falle einer Fusion müssten Warstein (o.) und Rüthen auch ein gemeinsames Stadtwappen finden. Bilder: Wikipedia, Montage: Thorsten Streber

Rüthen/Altena. Warum nicht die Rathäuser zusammenlegen und aus Warstein und Rüthen die neue Stadt Möhnetal machen? Um Geld zu sparen, kann sich Rüthens Bürgermeister eine Städtefusion vorstellen. So weit gehen Altena und Nachrodt nicht, doch auch sie kooperieren nun enger denn je.

 „Es geht zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht um eine Fusion der Städte Rüthen und Warstein“, versucht Rüthens Bürgermeister Peter Weiken die Debatte am Freitag zu relativieren. Der parteilose Lokalpolitiker ist in den vergangenen Tagen in den Mittelpunkt einer Diskussion gerutscht, die nicht nur innerhalb der 10.000-Einwohner-Stadt am Rande des Sauerlandes hohe Wellen schlug: Kann angesichts sinkender Einwohnerzahlen im ländlichen Raum die Zusammenlegung kleinerer Kommunen hilfreich im Kampf gegen wachsende Schulden sein?

Ausgangspunkt dieser Diskussion war der Leserbrief eines langjährigen Ratsmitglieds in der Rüthener Lokalzeitung: Die Nachbarstadt Warstein plant derzeit einen Rathaus-Neubau – warum also nicht einen Standort wählen, der näher an der Grenze zu Rüthen liegt? Dann könne man die Verwaltungen der beiden Städte dort zusammenlegen, lautet die Idee. Auch einen Namen für das fusionierte Gebilde gibt es schon: Möhnetal. 

„Kleine Verwaltungen auf Dauer nicht zu halten!“

 Peter Weiken kann dem Vorschlag einiges abgewinnen. „Ein zentral gelegenes Rathaus wäre ideal“, findet der 39-Jährige. „Trotzdem würden beide Städte erst einmal eigenständig bleiben.“ Sorgen wie der Verlust einer wohnortnahen Versorgung kann der Bürgermeister nachvollziehen, erklärt aber auch: „Kleine Schulstandorte oder kleine Verwaltungen wird man auf Dauer nicht alle halten können.“

Weiken wäre bereit, seinen Bürgern auch die Nachteile zu verkaufen. „Aber ich denke, wir sind noch nicht bereit, unsere Standards aufzugeben.“ Die Zusammenlegung einzelner Ämter, der gesamten Verwaltung und letztlich auch der jeweiligen Stadträte sind für den Bürgermeister vorstellbar. „Wir müssen zumindest mit Gesprächen beginnen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Bevor die Verschuldung also so hoch ist, dass der Kampf dagegen aussichtslos wird. 

Rot-Grün: Auch kleine Gemeinden stärken

Die Landesregierung kann mit dem Rüthener Vorstoß wenig anfangen und widerspricht. „Wir sehen das nicht als sinnvoll an“, sagte eine Sprecherin des Kommunalministeriums auf BiTSnews-Anfrage. „Denn ganz im Gegenteil, wir wollen auch die kleinen Gemeinden stärken und wieder handlungsfähig machen“, verwies sie auf die geplanten Finanzhilfen für überschuldete Kommunen.

Davon profitieren sollen auch die Stadt Altena und die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde im Märkischen Kreis. Auch hier war die finanzielle Situation dafür ausschlaggebend, dass die Räte eine besonders enge und in NRW derzeit einzigartige Kooperation beschlossen. „Neu ist der flächendeckende Ansatz unseres Konzepts“, erklärt Altenas Kämmerer Stefan Kemper. „Sonst geschieht interkommunale Zusammenarbeit meist nur in Form von Einzelmaßnahmen.“

Flächendeckender Ansatz in NRW einzigartig

Fünf Aufgabenfelder, in denen man Synergien nutzen könnte, machte eine Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Kommunen sowie der Kommunalaufsicht in den vergangenen Monaten aus. Und so sollen bis Mitte 2012 das Standesamt vollständig in Nachrodt, der Bauhof sowie die Abteilungen für Sozialhilfe und für das Gebäudemanagement komplett in Altena zusammengefasst werden.

Auch auf sinkende Schülerzahlen reagieren die beiden Kommunen von nun an gemeinsam: Zum kommenden Schuljahr wurde eine Sekundarschule mit Standorten in Nachrodt und Altena gegründet. Eine Real- und zwei Hauptschulen mit insgesamt knapp 700 Schülern nehmen dafür keine neuen Fünftklässler mehr auf.

Kommunale Selbstständigkeit bleibt erhalten

Für ein so großes Projekt gibt es in den benachbarten Gemeinden erstaunlich wenig Widerstand gegen die Entscheidungen. „Weil die meisten Themenfelder eher im Hintergrund ablaufen und für die Bürger nicht so spannend sind“, glaubt Kämmerer Stefan Kemper. Bevor Altena und Nachrodt-Wiblingwerde in die nächste Stufe übergehen und eine noch weitergehende Zusammenarbeit beschließen, sollen die Bürger jedoch zu Wort kommen.

„Wir haben die Absicht, die Kooperation noch weiter auszubauen“, unterstreicht Kemper. „Die kommunale Selbstständigkeit wird allerdings erhalten bleiben.“ Gleiches gilt wohl mindestens mittelfristig auch für Rüthen, denn auch Bürgermeister Peter Weiken muss zugeben: „Bis es soweit ist, wird wohl noch eine Menge Wasser die Möhne herunterfließen.“

Von Thorsten Streber
Veröffentlicht am 22.10.2011