Explosive Gefahren in der Tiefe

Mit äußerster Vorsicht werden die Blindgänger von den Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes geborgen und entschärft.

Arnsberg. Anfang Juni forderte in Göttingen die missglückte Entschärfung einer Zehn-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg drei Menschenleben. Auch in der Region sind Bombenentschärfungen beinahe an der Tagesordnung. Bis zu 4000 Anträge auf Luftbildauswertung gehen beim Kampfmittelbeseitigungsdienst Westfalen-Lippe jährlich ein.

Unter dem Dach der Bezirksregierung Arnsberg ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst zuständig für die Beseitigung von Munition in den Regierungsbezirken Münster, Detmold und Arnsberg. Alleine im Regierungsbezirk Arnsberg, der auch die kreisfreie Stadt Hagen und den Märkischen Kreis abdeckt, rückte der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Jahr 2008 610 Mal aus. Das geht aus dem letzten Jahresbericht Gefahrenabwehr in Nordrhein Westfalen hervor. Genaue Statistiken über Einsätze des Kampfmittelbeseitigungsdienstes im Märkischen Kreis liegen nach Angaben des Kreis-Ordnungsamtes in Lüdenscheid nicht vor. Allerdings lässt sich sagen, dass nur einzelne Städte im Kreis während des Zweiten Weltkrieges verstärkt von Bomben getroffen wurden. „Dazu gehört beispielsweise Iserlohn, weil dort schon immer viel Industrie war“, weiß Andreas Wirtener vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Westfalen-Lippe.

Bürokratische Antragsstellung

Ob es zu einem Einsatz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes kommt, hängt zunächst von den örtlichen Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden ab. Ihnen obliegt es, Anträge auf Luftbildauswertung zu stellen. Gründe für die Antragsstellung sind beispielsweise die Erschließung neuer Baugrundstücke, Zufallsfunde oder Zeitzeugenberichte. An Hand der computergestützten Auswertung von Luftbildern, die zwischen April und Mai 1945 von den alliierten Streitkräften gemacht wurden, geben die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes dann Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise an die jeweiligen Ordnungsämter raus. Das kann zwischen vier und sechs Wochen dauern.

Aufwendige Detektion

Wenn ein Gebiet starker Bombardierung ausgesetzt war, rücken nicht sofort die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes an. Oft werden Spezialfirmen mit der genauen Untersuchung der Flächen beauftragt. Diese werden dann systematisch mit einem Detektionsgerät vermessen. Danach wird nach einem vorgegebenen Bohrraster in einer Tiefe bis zu sieben Meter nach Blindgängern gebohrt. Dabei stoßen die Arbeiter manchmal auf Kuriositäten. „Es kommt schon mal vor, dass sich der scheinbare Blindgänger als verrostetes Fahrrad entpuppt“, weiß Andreas Wirtener. Kommt es allerdings tatsächlich zu einem Fund, muss das Ordnungsamt den Umkreis je nach Stärke der Bombe abriegeln. Die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes übernehmen dann die Munitionsbergung, den Abtransport und die Vernichtung, die im Munitionszerlegebetrieb in Hünxe ausgeführt wird. Bei der gefährlichen Arbeit dort gab es den letzten tragischen Unfall im Juni 2008. Bei der Vorbereitung zum Zerlegen detonierten drei Granaten im Sägestand. Ein Mitarbeiter kam dabei zu Tode.

von Verena Holzgreve

Veröffentlicht am 08.06.2010