Tür an Tür mit Syrern und Serben

Die zentrale Asylbewerber-Unterkunft in Hemer ist in diesen Tagen voll belegt. Foto: Thorsten Streber

Hemer. NRW diskutiert angesichts steigender Flüchtlingszahlen über die Einrichtung neuer Unterkünfte für Asylbewerber. Viele Hemeraner leben schon lange in direkter Nachbarschaft zu Flüchtlingen aus aller Welt – in letzter Zeit werden es auch hier immer mehr.

Wenn Heinz Alich es sich nachmittags auf seiner Terrasse gemütlich macht, dann muss er für Musik nicht selbst sorgen. Orientalische Klänge ziehen in den Garten des Rentners hinüber. Denn Alich lebt direkt neben einer der beiden zentralen Asylbewerber-Unterkünfte in Nordrhein-Westfalen. In der Einrichtung im Hemeraner Ortsteil Apricke leben mehrere hundert Asylsuchende aus der ganzen Welt, vor allem aber aus dem Nahen Osten und vom Balkan.

Einen Termin in der Unterkunft zu erhalten, erweist sich in diesen Tagen als Mammutaufgabe. "Wir alle hier stehen im Moment sehr unter Stress", entschuldigt sich Einrichtungs-Leiter Horst Labrenz am Telefon. Die Zahl der Flüchtlinge hat sich in den letzten Wochen stark erhöht. Werden in Hemer normalerweise im Durchschnitt rund 250 Asylbewerber betreut, so ist die Zahl bis zur vergangenen Woche auf 650 gestiegen.

Südosteuropäer haben kaum Chancen auf Asyl

Da die Einrichtung nur für bis zu 500 Bewohner ausgelegt ist, sucht das Land derzeit nach alternativen Unterkünften. Standorte in Neuss und Düsseldorf sind im Gespräch, doch bis diese Entscheidungen endgültig gefallen sind, werden die Neuankömmlinge weiter in Hemer in Empfang genommen. Dem Asylbewerberheim wurde vorsorglich die Aufnahme von bis zu 700 Menschen genehmigt.

Heinz Alich hat sich mit der Unterbringung der Flüchtlinge in der Nachbarschaft arrangiert. "Es ist längst nicht so schlimm, wie wir damals befürchtet haben", räumt Alich ein. Viele Flüchtlinge grüßen nett, wenn man sie auf der Straße trifft. "Viele brauchen ja auch tatsächlich Hilfe", sagt Alich. "Aber man muss auch sehen, dass viele das Asylrecht nur ausnutzen." Rund die Hälfte der Bewohner der Hemeraner Einrichtung kommen vom Balkan, meist aus Serbien oder Mazedonien, und haben praktisch keine Chance auf Asyl in der Bundesrepublik. Bislang wurde in diesem Jahr noch kein Antrag aus einem dieser Ländern bewilligt.

Betreuung der Asylbewerber: "Ein 24-Stunden-Job!"

Als die ersten Asylbewerber die ehemalige britische Kaserne 1993 bezogen, befürchteten die Anwohner in erster Linie zunehmende Kriminalität. Doch davon spürt man in Apricke heute nur noch wenig, bestätigt auch ein Polizeisprecher: "Hin und wieder eskaliert mal ein Streit unter den Asylbewerbern, aber außerhalb der Einrichtung fallen die Flüchtlinge nicht auf."

Die Asylsuchenden bleiben jeweils nur wenige Wochen in Hemer, bevor sie auf die einzelnen NRW-Kommunen verteilt werden. 50 Mitarbeiter der Bezirksregierung und des Malteser-Hilfsdienstes sorgen in dieser Zeit für die Betreuung. "Das ist im Moment ein 24-Stunden-Job", beklagt Labrenz.

Für Heinz Alich hat sich durch die Asylbewerber-Unterkunft in seinem Alltag nicht viel verändert. Denn sogar an musikalische Unterhaltung war er auch vorher schon gewöhnt. Damals schallte regelmäßig schottische Dudelsack-Musik zu ihm herüber.

Von Thorsten Streber
Veröffentlicht am 20.10.2012