Wir backen unsere eigenen Brötchen

Lea Krähahn und Max Zeibig machen den Selbstversuch in der Backstube. Foto: privat

Hagen. Jeden Morgen kommen frische Brötchen auf den Tisch. Eigentlich selbstverständlich. Doch wie kommen Brötchen, Brot und Co. eigentlich auf den Teller und wer steht in aller Herrgottsfrühe auf, damit das so bleibt? Zwei BiTSnews-Redakteure haben den Selbstversuch gewagt: in der Backstube der Hagener Stadtbäckerei Kamp.

Es ist stockfinster. Der Zeiger der Armbanduhr wandert auf 3.30 Uhr. Zwei müde Gestalten stehen auf einem Parkplatz. Der Parkplatz ist jedoch nicht leer. Dutzende von Autos sind dort geparkt. Der Parkplatz gehört nämlich zu der Backstube der Stadtbäckerei Kamp. Die zwei müden Gestalten sind wir: Max Zeibig und Lea Krähahn; zwei Studierende der BiTS in Iserlohn, die den Selbstversuch unternehmen und ihre eigenen Brötchen backen. „Man braucht einen gewissen Hang zum Wahnsinn, um jeden Morgen wieder so früh aufzustehen“, sagt der 23 Jahre alte Bäckermeister Robin Turner. Dass wir diesen gewissen Hang zum Wahnsinn besitzen, haben wir mit unserer Idee zum Selbstversuch bewiesen.

Hitze in der Backstube

Mittlerweile ist es 4 Uhr. Wir bekommen unsere Arbeitskleidung: eine schwarz-weiß karierte Bäckerhose, weißes Poloshirt, weiße Baumwollschürze und eine Bäckermütze. Jeglicher Schmuck muss aus Sicherheitsgründen abgelegt werden. In der Backstube ist es sehr warm. 28,5 Grad zeigt ein Thermometer an. Vor den Öfen ist es um ein vielfaches heißer. Ein leckerer Duft von frisch gebackenen Brötchen und süßen Leckereien liegt in der Luft. Man bekommt direkt Hunger. „Wie ich schlank bleibe, weiß ich auch nicht“, lacht Martin Kamp, Geschäftsführer der Hagener Stadtbäckerei. Sein tägliches Frühstück besteht darin, durch die Produktionshalle zu gehen, verschiedenste Backwaren zu probieren, um so die Qualität der einzelnen Leckereien sicherzustellen.

Ein konstantes Piepen und Surren der Maschinen untermalt die Geschäftigkeit der 36 Bäcker und Konditoren. Jeden Tag verlassen etwa 40.000 Brötchen, 5.000 Brote und 8.000 sogenannte bunte Brötchen, also Brezeln oder Körnerbrötchen, das Backhaus der Bäckerei Kamp. Ab 5 Uhr morgens beliefern 20 Fahrer die 31 Verkaufsstellen rund um Hagen mit den Backwaren des in der dritten Generation geführten Familienbetriebes.

Teig ist geduldig

Die Backstube ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Jedes Gebäckstück, das mehr als 10% Zucker enthält, wird in der Feinbäckerei - also der Konditorei - produziert. In der Fettbäckerei wird alles hergestellt, was in Fett gebacken wird und die Grobbäckerei fertigt alles rund ums Brot und Brötchen an. Und genau dort dürfen wir unser Geschick unter Beweis stellen. Wir rollen Teigwürste aus und sollen sie zu Brezeln formen. In der Mitte dicker und am Ende dünner müssen die mittlerweile 60cm langen Teigwürste sein. Dann werden die Enden wie beim Schnürsenkel geschnürt und fest in den elastischen Teig gedrückt. Voila, eine Brezel. Oder etwas, das wie eine Brezel aussehen soll. „Teig ist geduldig“, lacht der 29-jährige Patrick Behmelmann und formt aus unserem brezelähnlichen Teigklumpen mit gekonnten Handgriffen den Brezelrohling. Zum Laugengebäck werden die Rohlinge jedoch erst am nächsten Tag, nachdem sie geruht haben. Dann fahren sie unter einer Laugendusche entlang, werden mit Salz bestreut und schlussendlich braun gebacken. In der Zwischenzeit machen wir Fortschritte: unsere Brezeln werden immer besser und können auf große Backbleche zu den Profi-Brezeln gelegt werden.

Es gehört viel Technik zum Bäckerhandwerk

Nun wirken wir Brot. Drei Kilogramm Teig für jede Hand. Nach etwa zehn Sekunden sehen die zuvor formlosen Teigklumpen weich, rund und elastisch aus. Auf jeden Fall tun sie dies bei Heiko Buchholz, Bäckergeselle und Produktionsleiter. Lea versucht es erst mal mit einem Teigklumpen. Nachdem Geschäftsführer Kamp, Produktionsleiter Buchholz und Bäcker Behmelmann alle tatkräftig mitgeholfen haben, ist auch ihr Klumpen schön rund. „Ich habe Morgen bestimmt Muskelkater in den Oberarmen“, sagt Lea und zeigt stolz den rungewirkten Brotteig in ihrer Hand.

Dass der Bäckereiberuf trotz des technischen Fortschritts immer noch körperliche Arbeit ist, steht außer Frage. Kiloschwere Teige werden aus Edelstahlkesseln gehoben, gewirkt oder ausgerollt. Und trotz vieler Maschinen, die den Bäckeralltag vereinfachen, ist immer noch Handarbeit erforderlich. „Wahrscheinlich schreckt die körperliche Arbeit viele Frauen ab“, erklärt sich Buchholz die immer noch niedrige Frauenquote in seinem Beruf.

Die Menschheit ernähren

 „Ich sehe täglich, was ich erschaffe“, erklärt Heiko Buchholz seinen Traumberuf. Der 37-jährige Produktionsleiter steht mit dieser Meinung nicht alleine dar. „Es gibt mir ein gutes Gefühl, etwas gemacht zu haben, was jeder braucht und was dauerhaft gebraucht wird. Der Job ist zukunftssicher bis in alle Tage“, fügt Robin Turner hinzu. Auch Patrick Behmelmann hat seine Passion zum Beruf gemacht: „Wie man mir später erzählt hat, ist es kein Zufall, dass ich Bäcker geworden bin. Ich hab bereits im Kindergarten Brötchen aus Papier ausgeschnitten. Für mich ist das Backen eine Leidenschaft“, erklärt der 29-jährige, der in drei Wochen seine Meisterprüfung ablegt.

Doch nicht nur die Begeisterung für den Beruf verbindet die drei Angestellten der Stadtbäckerei. Die eigenen vier Wände sind bei fast allen backfreie Zone. „Ich backe nur zu besonderen Anlässen zuhause; dann jedoch sehr ungern“, lacht Robin Turner über unsere Frage. Patrick Behmelmann schließt sich der Meinung seines Kollegen an. „Ich mache es nicht, da ich weiß, dass ich zuhause auf keinen Fall die Ergebnisse erzielen kann, die ich hier in der Backstube bekomme“, sagt er und verweist auf die 70m² Ofenfläche, auf denen er und seine Kollegen täglich die Brötchen, Brote und süßen Teigwaren backen. Lediglich Heiko Buchholz backt auch gerne neben der Arbeit im heimischen Ofen.

Es ist 8 Uhr. Anfang eines neuen Arbeitstages und Frühstückszeit für die Mehrheit der Berufstätigen. Für uns hingegen ist Feierabend. „Ich würde jetzt am liebsten sofort ins Bett, aber davor esse ich noch etwas“, sagt Max und spielt dabei auf die Tüte mit Leckereien an, die uns Martin Kamp als Lohn überreicht hat. Man sieht die Backwaren jetzt mit anderen Augen. Sieht die Arbeit, Technik und Leidenschaft, die in einem Brötchen steckt. „Auch wenn es mir extrem viel Spaß gemacht hat, möchte ich trotzdem nicht jede Nacht aufstehen, um zu backen“, sagt Lea. Müssen sie auch nicht. Dafür fahren sie jetzt in die Uni. Zum Frühstücken.

Von Maximilian Zeibig und Lea Krähahn

Veröffentlicht am 27.06.2010