Trainingsbeginn der Berliner Fußballvereine

Die Sehnsucht nach dem Alltäglichen

Endlich rollt der Ball auch wieder für die jungen Amateure. Foto: Mats Kittner
Das Info-Blatt zu den Regeln auf dem Sportgelände. Foto: Mats Kittner
Athletik-Trainer Max nimmt sich die Zeit, um mit einem verletzen Spieler zu reden. Foto: Mats Kittner
Der Fußballplatz in der Ibsenstraße. Foto: Mats Kittner
Tamino und Max beaufsichtigen das Warm-Up. Foto: Mats Kittner
Anwesenheitsliste der Spieler. Foto: Mats Kittner
Auch bei der Torschuss Übung heißt es Abstand halten. Foto: Mats Kittner
Der Wartebreich für die Spieler wird ebenfalls sportlich genutzt. Foto: Mats Kittner
Mit zwei Metern Mindestabstand trainieren die Jungs 3 mal die Woche. Foto: Mats Kittner
Die beiden Trainer Max und Tamino nach dem Training. Foto: Mats Kittner

Nachdem in der Fußball-Bundesliga der Ball wieder rollt, dürfen nun auch wieder die kleineren Vereine das Training aufnehmen. Für viele Kinder ist das ein großer Schritt zur Normalität. Doch wie sieht solch ein Training während der Corona-Pandemie aus und welchen Stellenwert hat das für die jüngeren Fußballer?

BERLIN. Es ist 19 Uhr. Die goldgelbe Abendsonne erhellt den olivgrünen Kunstrasenplatz des SV Pfeffersport in einem warmen Licht. Neben Kastanienbäumen erscheint die moderne Fußball Anlage gerade zu winzig. Ich befinde mich in der Ibsenstraße in Berlin Pankow. Dort trainieren normalerweise bis zu acht Mannschaften am Tag. Doch während der Covid-19 Pandemie ist auch hier alles anders. Während normalerweise um diese Uhrzeit bis zu 50 Kinder und Jugendliche den Platz bespielen würden, ist nur das Team der beiden Trainer Max Riedl und Tamino Brendel für diese Uhrzeit angemeldet. Sie trainieren schon seit mehreren Jahren die C1, sowie die C2 des SV Pfeffersports. Und das nicht erfolglos. In der Saison 2017/2018 und 2018/2019 gelang es den beiden Berliner Studenten, in die Landesliga aufzusteigen. Grundlage dafür war ein koordiniertes und hochintensives Training.

In der Saison 19/20 sind die Umstände etwas anders. Nach und nach treffen die 14 bis 15-jährigen Jungs auf dem Platz ein und versammeln sich im Mittelkreis. Eine Sache wird sofort deutlich. Alle sind schon fertig umgezogen und bereit in das Training zu starten. Während der Kontaktbeschränkung ist es den Jungs verboten, die örtlichen Umkleidekabinen aufzusuchen. Für viele ist das ungewohnt. Laut Tamino fehlt, durch das individuelle Umziehen Zuhause, eine essentielle Trainingsvorbereitung: „Das gemeinsame Umziehen ist schon Teil des Trainings, für uns und für die Jungs. Dort haben die Kinder die Chance unter sich zu sein, sich auszutauschen und sich gemeinsam umzuziehen. Am wichtigsten ist es uns aber, dass die Jungs nochmal die Chance haben sich über die wichtigen Themen in ihren Leben zu unterhalten.“

„Keine Lust mehr auf Eltern und gammeln“

Nachdem alle Jungs zusammengefunden haben, beginnt das gemeinsame Aufwärmen. In mehreren Vierergruppen und mit Abstand, beginnen die Spieler das dynamische Dehnen. Während der Übungen wird viel geredet und gelacht. Schnell wird deutlich, wie sehr sich die Spieler danach gesehnt haben wieder auf dem Platz zu stehen. Für einen von ihnen ist dies aber noch nicht möglich. Oscar ist 14 Jahre alt und normalerweise einer der stärksten Leistungsträger der talentierten Mannschaft. Aufgrund einer Zerrung ist er aber gezwungen noch vier Wochen zu pausieren. Gerade in diesem Alter eine deprimierende Diagnose. „Auch wenn ich nicht trainieren darf, nutze ich jede Gelegenheit wieder mit meinen Freunden und Teamkollegen auf dem Platz zu stehen. Nach gefühlt zwei Jahren Quarantäne habe ich auch keine Lust mehr alleine Zuhause herum zu hängen und mich mit meinen Eltern zu streiten.“

Dass sich viele Jungs auf das Resozialisieren mit ihren Freunden und den Fußball gefreut haben, merke ich als Außenstehender schnell. Die Laufbereitschaft ist enorm und die Stimmung sehr aufgeheitert und entspannt. Viele der Spieler kennen sich nun schon seit mehr als fünf Jahren und sind es gewöhnt, einander jeden zweiten Tag zu sehen. „Die Basis von gutem Fußball ist eine gute Kommunikation innerhalb und außerhalb der Mannschaft. Die Beziehung unter den Spielern ist enorm wichtig und es ist entscheidend den Teamspirit bis ans Ende der Saison aufrechtzuerhalten“, erklärt mir Athletik-Trainer Max, während er die Materialien für die nächste Übung bereit legt. Aufgrund der Pandemie war dies die letzten Wochen nicht möglich. Nachdem die Jungs aufgewärmt sind, geht es in die Stabilisationsübungen. Während besonders diese Übungen den Jungs viel Kraft kosten, merke ich auch hier eine starke Gelassenheit und Spaß an der Sache. Zwischen den einzelnen Übungen wird viel gelacht und gescherzt. Während Tamino und Max die Hütchen aufstellen, stehen mehrer Kleingruppen beieinander. Das laute Lachen der Jungs sorgt für eine heitere und fröhliche Atmosphäre auf dem Platz. Die vom Verein beschlossenen Regeln werden dennoch jederzeit eingehalten.

Regeln, Regeln und nochmal Regeln

Gerade für pubertierende in dem jungen Alter ist es schwierig, sich an viele Regeln und Vorschriften zu halten. Dennoch sind sie ausschlaggebend für den Neustart des Trainings. Der Verein Pfeffersport hat dazu ein umfangreiches Konzept zur Aufnahme des Trainingsbetriebs unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln erarbeitet. Behandelt werden die Themen: Anmeldung vor dem Training, Einlass zum Platz, Hygiene, Trainingsablauf, und das Verlassen der Anlage. Grundlage dafür bietet der Mindestabstand, so wie zahlreiche, detaillierte Regeln für das Benehmen auf und abseits des Platzes. Damit die Spieler die Regelungen auch nicht vergessen, hängt an jeder Sitzbank und an jedem Flutlichtmast ein kleines DIN A4 Blatt mit den jeweiligen Regeln. Während meines gesamten Besuchs haben sich alle Spieler und Trainer an diese Regelungen gehalten.

„Natürlich ist es komisch, da der Fußball und das dazugehörige Training durch Körperkontakt geprägt sind. Aber wir als Trainer und Spieler tragen die Verantwortung dafür, dass es funktioniert und dass die Gesundheit der Jungs zu keiner Zeit gefährdet ist“, sagt Tamino, während die Spieler mit der Torschuss Übung beginnen. Dabei stehen die Jungs stets mit zwei Metern Abstand hintereinander und warten etwa fünf Meter an der Mittellinie auf ihren Einsatz.

Eltern als Gewinner der Krise

Der Vereinsfußball spielt im Berliner Alltag eine große Rolle. Eltern und Kinder widmen sich dem Vereinsfußball mehrere Stunden in der Woche. Die Mannschaft von Tamino und Max trainiert normalerweise drei Mal die Woche mit anschließendem Punktspiel am Wochenende. An einem normalen Wochenende sind etliche Spiele in ganz Berlin verteilt. Das führt dazu, dass die Eltern der Spieler an einem Sonntag frühmorgens aufstehen müssen, um ihr Kind in einen der Berliner Bezirke zu fahren.

Dass viele Eltern als Spielertaxi dabei teilweise bis zu einer Stunde unterwegs sind, geht nicht spurlos an den Eltern vorbei. Nach der Torschuss Übung treffe ich abseits des Platzes ein Elternteil der C1-Jugend. „Es ist natürlich schade für die Jungs, aber ich freue mich darauf, an einem Wochenende mal beide Tage auszuschlafen. Wenn man mal betrachtet wie oft wir als Eltern von einem Ende der Stadt zum anderen fahren, dann ist das schon eine Erleichterung“, sagt mir der Vater von Oscar, während er gespannt dem Training folgt. Aber natürlich freuen wir uns auch für die Jungs. Man hat schon gemerkt, dass sie den Fußball vermissen.“

Spielbetrieb weiterhin offen

Wann der Berliner Fußball-Verband den Spielbetrieb wieder aufnehmen wird, ist noch nicht bekannt. Doch bis dahin wird weiter hart an dem Comeback gearbeitet. Tamino und Max versuchen mit allen Mitteln einen gewissen Alltag für die Jungs - mit Vorsicht wiederherzustellen. Doch ohne Punktspiele ist es noch ein weiter Weg zur Normalität im Vereinsfußball.

Das Training endet bei Sonnenuntergang in einem großen Kreis und einer letzten Ansprache von Tamino an die Jungs. „Es ist für uns alle eine Ausnahmesituation, dennoch versuchen wir uns daran zu erinnern welche Werte in dieser Zeit wirklich zählen. Zusammenhält, Solidarität und Geduld.“ Mit ausreichend Mindestabstand und den Fußballschuhen in ihren Taschen verlassen die Jungs erschöpft aber zufrieden die Fußballanlage.

Von Mats Kittner
Veröffentlicht am 02.06.2020

Mats Kittner

  • Über mich
  • Meine Artikel