Olympia

Fabian Hambüchen: „Ich weiß nicht, wo das Olympia-Reck ist und ob es noch ankommt“

Olympiasieger Fabian Hambüchen beim Interview an der BiTS. Foto: Désiree Schneider

ISERLOHN. Der Olympiasieger Fabian Hambüchen war am Donnerstag für eine Talkrunde an der Business and Information Technology School (BiTS) zu Gast. Maerkzettel traf ihn zum Interview und sprach mit ihm über die Olympischen Spiele, seine Zukunft und die neue Reform der Spitzensportförderung.

Maerkzettel: Du wurdest dieses Jahr für Deinen Olympiasieg groß gefeiert. War er auch aufgrund der schwierigen Vorbereitung Dein größter sportlicher Erfolg?

Fabian Hambüchen: Ja, definitiv. Eine olympische Goldmedaille zu gewinnen, ist immer ein Kindheitstraum von mir gewesen. Deshalb war der Erfolg für mich besonders. Aber es kam noch hinzu, dass es mein letzter großer Wettkampf war. Ich habe im Vorfeld gesagt, ich höre mit der internationalen Karriere auf. Dadurch war es besonders bewegend, wenn du weißt, so eine Situation kommt nie wieder. Es war wie ein kleines Wunder, dass es mit der Goldmedaille noch geklappt hat. Die besten Chancen hatte ich vor acht Jahren. Da habe ich es aber mental nicht hingekriegt. Vor vier Jahren war es eigentlich optimal, aber mehr als Silber war nicht drin. Jetzt waren meine Chancen am geringsten. Deswegen habe ich mir auch den wenigsten Druck gemacht und bin entspannt nach Rio gereist.

Du hast das Reck, an dem du Gold gewonnen hast, geschenkt bekommen. Was ist damit passiert? Ist es mittlerweile bei Dir zu Hause angekommen?

Als ich es kaufen wollte, hat der Hersteller Spieth zu mir gesagt, dass sie mir es schenken würden. Die Lufthansa bot auch direkt an, es nach Deutschland zu fliegen. Es wäre also eigentlich mit mir angekommen. Aber es gab im Vorfeld wohl keine klare Abmachung, was mit den ganzen Turngeräten passiert. Es war unklar, ob sie in Brasilien bleiben oder nicht. Dann wechselte in Brasilien auch noch ein Ministerposten, wodurch viel Chaos entstand. Zuletzt streikte auch noch der brasilianische Zoll. Ich weiß nicht, wo das Olympia-Reck ist und ob es noch ankommt. Wenn ich anrufe, um mich zu erkundigen, kann mir auch keiner sagen, wo die Geräte sind.

An welchen Wettkampf wirst du dich rückblickend neben Rio dein Leben lang erinnern?

Da gibt es noch zwei Wettkämpfe. Die WM in Dänemark 2006 und die in Deutschland ein Jahr später. In Dänemark habe ich meine erste WM-Medaille gewonnen. Dort hatte ich den perfekten Wettkampf erwischt. Vom ersten bis zum letzten Gerät hat alles gepasst. 2007 gewann ich den Weltmeistertitel in Stuttgart. Das war von den Emotionen her das Krasseste was ich je erlebt habe. Wenn in einer Halle mit 9000 Leuten alle ausrasten, wenn du da turnst, ist das unbeschreiblich.

Bist Du nach Deinem Karriereende froh, nicht mehr täglich zum Training zu gehen oder fehlt Dir das?

Ich bin immer noch regelmäßig in der Halle, und habe jetzt auch noch in der Bundesliga mitgeturnt. Aber das ist, anders als im Fußball, ein niedriges Niveau. Da ist der Trainingsaufwand wesentlich geringer. Ich genieße es in der Halle, bin aber auch froh, dass ich den Druck nicht mehr habe, in die Halle gehen zu müssen. Sobald du andere Verpflichtungen hast, ist es sehr stressig die ganze Zeit daran zu denken, bloß nicht zu spät ins Bett zu gehen oder penibel auf die Ernährung zu achten. Es ist schön, dass ich mein Leben jetzt mehr genießen kann.

Welche Rolle wird Sport zukünftig in Deinem Leben spielen?

Sport wird für mich immer eine große Bedeutung haben. Ich werde sicherlich immer sportlich bleiben. Turnen wird irgendwann aber weniger, das ist ganz klar. Das wird körperlich nicht machbar sein. Meine Schulter ist weiterhin angeschlagen. Ich muss nächstes Jahr überlegen, ob ich sie operieren lasse. Ich kann noch ganz gut am Reck turnen, aber ich kann keine Liegestütze machen. Das soll sich über die Jahre aber ändern, weil ich mehr in Richtung Fitnesssport gehen möchte.

Wen siehst du als Deinen Nachfolger im Turnen? Eher Andreas Brettschneider oder Marcel Ngyuen?

Ja, diese beiden haben sicherlich auch Chancen auf olympische Medaillen. Marcel ist aber der gleiche Jahrgang wie ich. Er wird nächstes Jahr 30. Da muss man schauen, wie das weiter geht. Er hat sicherlich mit die größten Chancen, aber es sind noch vier Jahre bis zu den nächsten Spielen. Wenn man Ende zwanzig ist, sind vier Jahre echt lang. Aber wir haben auch noch einen recht jungen Athlet: Lukas Dauser hat Potenzial.

Was hältst Du von der neuen Reform der Spitzensportförderung, die kommendes Jahr in Kraft treten soll?

Grundsätzlich finde ich die Ansätze nicht schlecht. Es ist gut, dass auf Athleten und Trainer individueller eingegangen werden soll. Aber die Frage ist natürlich, wie sie das umsetzen oder ob sie es überhaupt umgesetzt bekommen. So richtig beurteilen kann man es erst, wenn es anläuft und man merkt, ob dann mehr beim Sportler ankommt. Es wird spannend, die Umsetzung zu verfolgen.

Von Melina Seiler
Veröffentlicht am 04.12.2016