Von Leih-Anfragen bis Überträger-Angst

Corona lässt im Tierheim das Telefon klingeln

Trotz Corona ein Herz für Tiere. Foto: Pixabay

Das Corona Virus und die Isolation treiben Tierheim-Anfragen in die Höhe. Zu Hause bleiben macht einsam. Manche Mitmenschen wollen sich deshalb einen Hund oder ein Kätzchen ausleihen, bis die Corona-Krise vorbei ist. Tierheime sind durch solche Anfragen geschockt.

UNNA. Tierheime stehen vor besonderen Herausforderungen. Aufgrund der Pandemie sind spontane Besuche in Tierheimen derzeit tabu. Der Besucherverkehr ist wegen der Ansteckungsgefahr stark eingeschränkt. Aber auch in anderer Hinsicht macht sich die Corona-Krise bemerkbar. Nach Angaben vieler Tierheime wünschen sich durch die Isolation immer mehr Menschen Gefährten für sich oder ihre Kinder. Aufgrund dessen kommen sie auf die Idee, sich ein Tier auszuleihen.

Heruntergefahrener Betrieb                                                                          

Vom Dauerklingeln des Telefons, über organisatorischen Mehraufwand bis hin zum Besucherverbot: Die Corona-Krise wirkt sich auch auf den Betrieb von Tierheimen aus. Die größte Angst ist, „dass wir immer eine drohende Quarantänesituation haben. Das heißt, dass komplette Schichten von Personal ausfallen können“, sagt Catharina Seelig vom Tierheim Schwerte. Deshalb haben Tierheime vielerorts ihre Türen für Besucher geschlossen. Oft wird in getrennten Teams gearbeitet und die Mithilfe von Ehrenamtlichen fällt weg, um die hauptamtlichen Mitarbeiter zu schützen. „Viel Personal haben Tierheime sowieso nie. Tiere müssen immer und jeden Tag versorgt werden. Daher müssen die Betriebe relativ heruntergefahren werden“, erzählt Catharina Seelig. Die gute Nachricht sei, dass die Tiere weiterhin vermittelt würden und das Interesse an ihnen ist sogar gewachsen sei.  

Die Vermittlung der Tiere gestaltet sich zurzeit allerdings etwas anders – und zwar nicht mehr an den regulären Besuchstagen, sondern nur noch nach vorheriger Absprache. Da die Besucher nicht einfach im Tierheim vorbeikommen können, um sich Tiere anzuschauen, ist es wichtig die jeweilige Internetseite des Heims immer aktuell zu halten. So können die Interessenten schon einmal eine Vorauswahl treffen. „Wenn also jemand anruft und nach einer bestimmten Katze fragt, führen wir telefonisch ein ausführliches Gespräch ob es überhaupt passt – wenn alles passt, können die Leute vorbeikommen und sich auch nur dieses ausgewählte Tier anschauen“, erzählt Debbie Winzösch, die Mitarbeiterin des Tierheims Recklinghausen, am Telefon.   

Haustiere auf Zeit  

Geschlossene Schulen und Kitas, Homeoffice, zum Teil noch immer geschlossene Geschäfte und das Kontaktverbot sorgen Einsamkeit und das wiederum  zum Dauerklingeln des Telefons und Unmengen an Anfragen in den Tierheimen. Viele Menschen sehnen sich während des Kontaktverbots nach Gesellschaft – nicht nur menschlicher, sondern auch tierischer Art, erzählt Psychologin Dr. Annegret Wolf in ihrem Podcast. Doch ehrenamtliche Gassigeher, Katzenstreichler und andere Tierfreunde dürfen derzeit die Tierheime nicht betreten. Zeit, um sich während der Corona-Krise einen Hund aus dem Tierheim nach Hause zu holen? Tierheimmitarbeiterin Debbie Winzösch rät dringend davon ab. „Die Leute denken einerseits sie tuen den Tieren etwas Gutes, indem sie sie für kurze Zeit hier rausholen.“ Für die Tiere könne das durchaus eine traumatische Erfahrung sein. Deswegen gebe es bei allen Tierheimen grundsätzlich keine Vermittlung für einen solch kurzen Zeitraum – nur weil die Menschen jetzt gerade Zeit für ein Tier haben.  

Winzösch freut sich zwar, dass die Menschen sich in den schwierigen Zeiten für die Tiere einsetzen möchten, doch die Menschen würden nicht weiterdenken. Der Grund ist einfach: „Den Tieren tut man damit nichts Gutes, wenn man sie zu einer Pflegestelle gibt. Denn dort leben sie sich ein und fühlen sich nach kurzer Zeit so wohl, dass sie sich wie zu Hause fühlen. Sie dann wieder aus diesem Umfeld zu reißen bringt dem Tier nichts. Die Tiere können lieber hier, wo sie sie auch schon eingewöhnt haben, auf ein Für-Immer-Zuhause warten.“  

Tierabgaben durch Corona?

Im April hat sich ein Tiger im New Yorker Zoo mit dem Corona Virus infiziert, teilte der Bronx Zoo mit. Eine Übertragung des Virus auch auf Tiere scheint somit möglich. Was bei einigen Haustierhaltern zu großen Sorgen und vielen Anrufen und Nachfragen zu dem Thema, in den Tierheimen, führte. Eine Studie im Wissenschaftsmagazin Science zeigt, dass Katzen sich mit dem Corona Virus anstecken können. Bei Hunden, Schweinen, Hühnern und Enten sei es dagegen eher unwahrscheinlich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nahm die Studie zum Anlass, die Rolle von Haustieren in der Pandemie genauer zu prüfen: „Wir glauben nicht, dass sie eine Rolle bei der Übertragung spielen, aber wir denken, dass sie durch eine infizierte Person infiziert werden könnten.“  

In den vergangenen Wochen gab es besonders in den sozialen Medien immer wieder Berichte, dass die Tierheime immer voller werden, weil Besitzer ihrer Haustiere aus Angst vor einer Corona-Infektion abgeben. Tierheime bestätigen diese Annahme jedoch nicht: „Weder bei uns noch in einem uns bekannten Tierheim ist es eingetroffen, dass die Menschen vermehrt ihre Tiere abgeben wollen, aufgrund des Virus. Weder bei Katzen noch bei anderen Tieren“, teilte die Mitarbeiterin Frau Göttsche, vom Tierheim Unna mit. „Wir haben dies auch in den Medien häufiger gehört, aber können dies nicht bestätigen.“ Auch das Tierheim in Hamm kann die Annahme nicht bestätigen: „Es gab den ein oder anderen Anruf, wo Leute sich darüber informiert haben, ob eine Ansteckung über ihr Tier möglich sei. Der Corona Virus bei Katzen hat einige Menschen verunsichert, jedoch gab es diesbezüglich keine Abgaben.“ Tierliebhaber sind so vielen Informationen, darunter auch Fake News, ausgesetzt, dass manche nicht mehr wissen, was richtig und was falsch ist. Fachleute und Tierheime können jedoch beruhigen.

Von Michelle Reichelt
Veröffentlicht am 02.05.2020

Michelle Reichelt

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