DUELL DER WOCHE

Fridays For Future – Aktivisten oder Schwänzer

In über 100 Ländern demonstrieren Schüler und Studenten für den Klimaschutz. Foto: Pixabay

Die politische Debatte um Fridays For Future entwickelt sich zu einem Generationenkonflikt. Einige werfen den jungen Aktivisten Schulschwänzen vor. Andere, darunter auch Kanzlerin Angela Merkel, positionieren sich klar für eine politisch engagierte Jugend. Aber was ist das eigentlich Wichtige – Schule schwänzen oder Klima schützen?

Unterbrochene Bildungskarrieren für Aktivisten
Von Viola Schütz

Kommentar. Sie sind politisch links, jung und drücken meistens noch die Schulbank: Die Aktivisten der globalen Schüler- und Studentenbewegung „Fridays for Future“. Seit Wochen demonstrieren tausende Schülerinnen und Schüler für mehr Klimaschutz. Dabei fokussieren die meist 14 bis 19 - Jährigen nicht das Schulschwänzen. Ihr Ziel ist es, etwas zu bewegen und gegen die Klimaerwärmung anzukämpfen. Mit den Demonstrationen setzen die Jugendlichen die Politiker unter Druck – und das mit wachsendem Erfolg.

Es ist sehr vorbildlich, dass die oft noch Minderjährigen ein Zeichen setzten, zu dem die Erwachsenen gar nicht in der Lage zu sein scheinen. Das lässt sich natürlich nicht verallgemeinern, aber das große Ganze scheint für viele in Vergessenheit zu geraten. Die Karriere, die Kindererziehung oder auch der wohlverdiente Urlaub wird fokussiert, ohne sich die Frage zu stellen: Auf welchen Planeten werden unsere Kinder und Enkel überhaupt leben? Die Schüler haben es allerdings begriffen und versuchen aktiv durch die Demonstrationen die Politiker unter Druck zu setzen. Aber ist die Umwelt nicht ein Thema, für das wir uns alle einsetzen sollten?

Laut Christian Lindner sollte der Umweltschutz eine Sache für Profis sein. Da dieses Thema allerdings nicht erst seit gestern existiert, bleibt die Frage: Wann fangen die Profis denn dann mal bitte mit entsprechenden Maßnahmen an? Für die meist Minderjährigen wurde in den vergangenen Jahren wohl offensichtlich zu wenig von den sogenannten „Profis“ unternommen, sonst würden sie ja nicht für den Umweltschutz auf die Straße gehen.

Denn die Schülerinnen und Schüler nehmen für ihren Einsatz viel in Kauf: Ärger mit den Lehrern, Stress mit den Eltern und eine Vielzahl von  unentschuldigten Fehlstunden auf dem Zeugnis. Letztendlich leidet die Zukunft der jungen Aktivisten unter der Bewegung. Das Recht auf Demonstration ist zwar im Grundgesetz fest verankert, kollidiert allerdings mit der Schulpflicht der Schüler zwischen 6 und 18 Jahren. Müssten die älteren Generationen nicht mit bestem Beispiel voran gehen und etwas gegen die Klimaerwärmung unternehmen? Die Erwachsenen haben eine Vorbildfunktion, von der sie sich scheinbar bei dem Thema Umweltschutz freisprechen. Die einen kritisieren die Demonstrationen, die anderen befürworten die Bewegung und lassen dabei die Konsequenzen für die jungen Aktivisten außer Acht.

Rückendeckung erhalten die jungen Umweltfreunde von der Kanzlerin. Angela Merkel befürwortet die Demonstrationen und dies ermutigt die Aktivisten, weiter zu machen. Dass diese dabei vielleicht wichtigen Unterrichtsstoff verpassen und sich Ärger mit den Lehrern einhandeln, vergisst die Kanzlerin anscheinend.  Nicht umsonst schimpfen die Eltern oft: „Kind, Fehlstunden auf dem Zeugnis, wie willst du so jemals einen Arbeitgeber finden?“. Die Wahrheit ist doch, dass sich die Jungen der Gesellschaft sich für eine grüne Zukunft einsetzen, dabei ihre eigene aber völlig außer Acht lassen. Unentschuldigte Fehlstunden auf Zeugnissen zeigen zukünftigen Arbeitgebern meist eins: Der Schüler war zu faul, um in die Schule zu gehen und was für die eigene Zukunft zu lernen. Raum für Rechtfertigungen und Erklärungen wird den jungen Menschen meist nicht geboten – ein Vorstellungsgespräch rückt mit den Fehlstunden in weite Ferne.

 In ein paar Jahren werden die meisten Schüler es bereuen: die Arbeitsplatzsuche wird schwierig. Das Engagement in einem Kampf gegen den Klimawandel hat somit einen faden Beigeschmack.

Die Jugendlichen setzen durch die Demonstrationen die Politiker stark unter Druck: Menschen, die unter Druck  gesetzt werden, treffen oft vorschnelle und übereilte Entscheidungen.  Dies könnte dann die Umweltsituation verschlechtern oder negative Auswirkungen auf das Schulsystem oder die Gesellschaft haben. Damit wäre letztendlich niemanden geholfen.

Sinnvoller wäre es, wenn sich alle individuell für den Umweltschutz einsetzten. Oft können Einzelentscheidungen bewusster getroffen werden und anstelle einer Luxuskreuzfahrt, sollte mal über ein Urlaub an der Ostsee alternativ in Erwägung gezogen werden. Wenn jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Teil zum Umweltschutz beiträgt, wäre ein Anfang schon mal gemacht!

 

 


Politisches Engagement ja, aber bitte nur Samstags und im Schritttempo
Von Luisa Gehnen

Da sage noch einer die Jugend von heute sei verweichlicht, unpolitisch und leide höchstens noch an sogenannten „First World Problems“. Seit sich vor wenigen Monaten die Blicke der Jugendlichen vom sechs Zoll Handybildschirm lösten und sich auf das wohl größte und wichtigste Problem unserer Zeit – den Klimawandel – richteten, erscheint das vielen nicht als bildungs- oder gar zukunftsorientiert genug. Klimaschutz ist schließlich Profisache. 

Die Politiker und Politikerinnen in Berlin hadern seit gefühlten Jahrzehnten mit dem Kohleausstieg und selbst nach dem Dieselskandal hat sich im Autoland Deutschland noch nix bewegt. Abgesehen von den fünfzehn Million Dieselmotoren natürlich, die Tag für Tag die Autobahnen und Innenstädte verstopfen und ihren ganz eigenen Beitrag zur Umwelt leisten. Die nötigen Konsequenzen aus Abgasskandalen, Naturkatastrophen und Missernten stehen vermutlich noch im Stau auf der A40. 

Richtige Konsequenzen hingegen ziehen die Schüler und Schülerinnen, die sich der globalen Schüler- und Studentenbewegung Fridays For Future anschließen. Auf den Straßen von Städten, Dörfern und Kaffs in über 100 Ländern versammeln sich junge Aktivisten jeden Freitag, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Dieser Traum von politischer Partizipation, entpuppt sich jedoch als Albtraum jeder Helikopter-Mutter, die „natürlich“ nur das Beste für die Zukunft ihres Kindes will. Wie soll das Kind denn auch einen Job finden, mit so vielen Fehlstunden auf dem Zeugnis? In der Zukunft wird das Klima schließlich wärmer, die Wasserreserven rarer und die Lebensmittel somit teurer. Da brauch man doch einen gut bezahlten Job um überleben zu können! Bildung ist schließlich „Key“ um die Tür zum erfolgreichen Arbeitsleben zu öffnen.

Bildung ist nicht nur Sache der Schulen

Aber was soll das denn bitte für eine Bildung sein, die das Ausbleiben von politischem Engagement, das Ergreifen von Eigeninitiative, zukunftsorientiertes Denken und Handel rechtfertigt? Sowas wie Deutsch GK etwa, wirklich? Wer das behauptet, hat die Epoche Sturm und Drang vermutlich früher einfach geschwänzt.

Das Traurige an der ganzen Geschichte ist ja, dass würden die Schüler in ihrer Freizeit demonstrieren, es einfach keinen jucken würde. Als die Politik 2016 ein ganzes Schuljahr einfach wegrationalisierte – von G9 zu G8 – war die Entrüstung in der Gesellschaft nicht mal halb so groß wie jetzt. Ist doch auch super, wenn jetzt jeder 17-Jährige schon studieren kann. In dem Alter hat man ja auch schon voll den Plan, was seine Zukunft angeht und in welchem Job man die nächsten 45 Jahre versauern will. Durch Engagement und politische Partizipation die eigene Rolle in der Gesellschaft zu finden ist ja auch eher nebensächlich.

Politik ist keine Frage des Alters

Wie Bildungs-Fan Christian Lindern ja ganz richtig erkannt hat, ist Klimapolitik eine Sache für Profis. Aber Übung macht schließlich den Meister und, wer jeden Freitag für seine Überzeugungen demonstriert, der wird später mal ein Profi-Bürger. Wer also glaubt, die Schülerdemonstranten seien noch zu jung, um sich an der Klimadebatte zu beteiligen, der verschwendet beim Einkaufen auch keinen Gedanken an überflüssige Plastikverpackungen, macht Witze über „diese Veganer“ und ist wohl während der Fahrt in einem dieser super innenstadt-tauglichen SUV (mit horrendem Spritverbrauch) mit samt seinem Verstand falsch abgebogen. 

 Klar ist Bildung wichtig, aber jeder der glaubt, dass Schule gleich Bildung bedeutet, kassiert vom Leben irgendwann ein „sechs, setzen“. Es ist nämlich leider so, dass selbst die schönste Gedichtanalyse die Klimaerwärmung nicht stoppen kann. Zudem demonstrieren die Schüler und Studenten ja nicht aus Spaß, sondern nur weil ihre Forderungen von der Politik bislang nicht gehört und ernst genommen werden. Wer ist also jetzt bitte der Buh-Mann?

Veröffentlicht am 04.04.2019