Religion in Zeiten von Corona

Kirche auf dem Sofa

Das Bonhoeffer Haus der Evangelischen Kirchengemeinde Bönen. Foto.: Webseite Bonhoeffer Haus

Die Corona-Krise schränkt immer mehr das Leben ein. Natürlich sind die Kirchen davon nicht ausgenommen. Gottesdienste sind in Deutschland vorläufig verboten und stellen die Kirche vor große Herausforderungen.

BÖNEN. Die Glocken des Bonhoeffer Haus läuten eindrucksvoll. Die Orgel erklingt, die Gemeinde singt das Eingangslied. So ist es normalerweise, doch in der Corona-Krise ist alles anders: Es herrscht Stille und die Bänke bleiben leer. Dabei suchen viele Gläubige gerade jetzt Halt in der Gemeinde. Denn Kirchen stellen stille Oasen inmitten des oft hektischen Alltags, wo man zur Ruhe kommen und Gottes Gegenwart spüren kann.

Der Trend: Digitale Gottesdienste

Gottesdienste werden abgesagt, Gotteshäuser geschlossen. Bei vielen ist der Schmerz über den Verzicht auf die Gottesdienste sehr groß. Manch einem mag der vertraute Raum fehlen. So auch Katharina Holl und ihrer Tochter: „Wir sind jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Es fehlt jetzt einfach. Wenn ich in die Kirche gehe bringt es mir Seelenfrieden, da zählt einfach nichts anderes für mich. Dort bin ich eine Stunde für mich und Gott. Zuhause gestaltet sich das natürlich etwas schwieriger. Die Gemeinschaft fehlt einfach“.

Es sind nie dagewesene Zeiten - Das normale Leben ist zum Stillstand gekommen, die Alltagsroutinen sind weggebrochen, persönliche Kontakte eingefroren. Unsicherheit und Angst sind groß. Wie geht es weiter? Diese Frage stellt sich auch die Kirche. Die Ausbreitung des Corona-Virus gehört zu den größten Herausforderungen. Die Kirche selbst ist auf eine harte Probe gestellt geworden. Gleichzeitig will sie Halt geben.

Angesichts der Corona-Pandemie und des Verbots von Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen soll den Gläubigen das Mitfeiern, durch die Möglichkeit von Gottesdienstübertragungen im Internet ermöglicht werden. Und egal ob auf Facebook, Twitter oder Instagram - es gibt mehr Gottesdienst-Übertragungen als je zuvor. So auch das Bonhoeffer Haus, der Kirchengemeinde Bönen.

„Angefangen haben wir damit, dass wir unser Online-Angebot erheblich aufgepeppt haben. Vergangenen Sonntag gab es zum ersten Mal einen Online Gottesdienst. Der nächste findet Karfreitag und Ostersonntag statt.", erzählt der Pfarrer. Von wem die Online Angebote genutzt werden ist jedoch unklar. Besonders die ältere Generation könnte Schwierigkeiten mit dem neuen Online-Format haben. Pfarrer Detlef Belter vom Bonhoeffer Haus sieht das ganze jedoch zuversichtlich: „Gestern hatten wir 740 Klicks auf unserem Online-Angebot. Von daher denke ich, dass nicht nur jüngere, sondern auch ältere Menschen, vielleicht auch zu zweit, unseren Gottesdienst angesehen haben“.

Initiativen in besonderen Zeiten

Gemeinsamkeit statt Einsamkeit – In der Kirchengemeinde findet man eine ganz besondere Art der Gemeinschaft. In vielen Gemeinden gibt es derzeit Initiativen. Um den Menschen trotz allem ein wenig Geborgenheit zu vermitteln, stehen Hilfsaktionen ganz oben an der Tagesordnung beim Bonhoeffer Haus. „Wir haben schon sehr schnell angefangen über Alternativen nachzudenken. Aus dem Grund haben wir in der gesamten Gemeinde eine nachbarschaftliche Unterstützung organisiert. Mit dem Ziel, Menschen in allen möglichen Situationen zu helfen“, erzählt Pfarrer Belter. Dreißig Freiwillige haben sich bereits dazu entschlossen bei der Aktion, den Risikopatienten in der Gemeinde Bönen, zu helfen. Angefangen bei der Hilfe von Einkäufen bis hin zu Fahrten zum Arzt.

In diesen Wochen ist die physische Distanz das Gebot der Stunde. Doch sich alleine in diesen Tagen zurechtzufinden ist nicht einfach. Daher versucht die Kirchengemeinde Bönen ein wenig Orientierung zu geben, um ihren Mitmenschen Halt zu verleihen und neue Gedanken oder Impulse für den Alltag und den Glauben zu geben.

Aus diesem Grund wird es am kommenden Sonntag, zum ersten Mal das Angebot „Segen to Go“ in der Kirchengemeinde geben. Auf dem Platz vor der Kirche wird eine lange Leine gespannt, wo die Menschen sich eine Tüte mitnehmen können. „Darin befindet sich ein Teelicht, ein paar gute Gedanken und eine kurze Andacht. Eben was man mit nach Hause nehmen kann“, erzählt der Pfarrer.

Ostern: Das höchste Fest

Ostern ist das älteste und zentralste Fest im Kirchenjahr. In der Osternacht zwischen Karsamstag und Ostersonntag feiern Christen die Auferstehung Jesu Christi. Rund um das Osterfest gibt es zahlreiche Bräuche. Doch Gottesdienste dürfen wegen der Corona-Krise nicht gefeiert werden - auch an Ostern nicht. Für viele, die die Gemeinschaft im Glauben schätzen, besonders an Feiertagen, so auch für Katharina Holl, ist das schier unvorstellbar.

Doch auch dafür ließ sich die Kirchengemeinde eine Alternative einfallen. Denn an den Osterfeiertagen seien zusätzliche Angebote geplant. Am Karfreitag und am Ostersonntag wird das Bonhoeffer Haus nach Absprache mit dem Ordnungsamt jeweils vormittags und nachmittags für eine Stunde ihre Predigtstellen, also die Gemeindehäuser der Gemeinde Bönen öffnen, wie Ralf Lethaus, Vertreter der Kirchengemeinde, mitteilte.

„In den Kirchräumen gibt es dann überall die Möglichkeit eine Kerze zu entzünden, sich kurz auf die Bänke zu setzen, ein Gebet zu sprechen, oder einfach mal an einem Ort der Stille zur Ruhe zu kommen. Wir hoffen damit, den Menschen ein Ziel geben zu können.“, so Lethaus.

Wir sind da, nur anders

Vielleicht ist die Corona-Krise für uns alle eine Chance, unsere Strukturen und unser Leben zu überdenken. Es könnte auch eine Chance sein, aus seinem Hamsterrad auszusteigen und sich auf Wesentliches zu konzentrieren. „Als Kirche ist es unsere Aufgabe den Menschen nahe zu sein – auch und besonders in Krisenzeiten. Deshalb sind wir weiterhin ansprechbar für alles was den Menschen am Herzen liegt.“, betont Pfarrer Detlef Belter.

Von Michelle Reichelt
Veröffentlicht am 05.04.2020

Michelle Reichelt

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