Erntehelfer aus dem Ausland

Leben am Existenzminimum

Wegen der Corona-Krise können tausende Erntehelfer aus dem Ausland nicht einreisen. Foto: Pixabay

Pünktlich zum Saisonbeginn reisen jährlich tausende Erntehelfer aus dem Ausland nach Deutschland, um hier Geld zu verdienen. Doch aufgrund der Corona-Krise können viele von ihnen nicht einreisen. Welche Folgen dies für die Betroffenen hat und wie der Alltag als Erntehelfer aussieht, erzählt Milos Brankovic aus Lipe, Serbien im Interview mit MAERKZETTEL.

DEUTSCHLAND/SERBIEN. Nach Angaben der deutschen Regierung, können im April und Mai bis zu 80.000 Erntehelfer aus dem Ausland nach Deutschland einreisen. Die Anzahl ist jedoch nur ein Bruchteil der sonst über 286.000 Helfer. Der 40-jährige Familienvater Milos Brankovic, ist seit fünf Jahren Erntehelfer in Deutschland und Österreich. Dieses Jahr konnte er erstmals wegen der aktuellen Lage nicht als Erntehelfer arbeiten. Mit dem in Deutschland gesetzlichen Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde, verdient er an einem Tag auf dem Feld soviel, wie in einer Arbeitswoche in seinem Heimatland.

MAERKZETTEL: Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf dich und deine Familie?

Milos Brankovic: Ich habe drei Kinder und eine Frau, die ich versorgen muss. Wir führen ein einfaches Leben und kommen gerade so über die Runden. Das Leben in Serbien, kann nicht mit dem in Deutschland verglichen werden. Viele leben hier am Existenzminimum. Wir sind auf das Geld, was wir als Erntehelfer in Deutschland oder Österreich verdienen, angewiesen. Durch das Geld können wir Tiere zum Schlachten oder Schulbücher für die Kinder kaufen. Die Kinder sind noch klein und freuen sich, dass ich Zuhause bin. Sie wissen nicht, dass ich nicht weiß, wie ich die nächsten Wochen ausreichend Essen für uns auf den Tisch bringen soll. 

Wann hast du erfahren, dass du diese Saison nicht als Erntehelfer arbeiten kannst?

Ich habe es erst relativ spät erfahren. Den anderen fünf Erntehelfern und mir war zwar bewusst, dass wegen der aktuellen Situation Probleme bei der Einreise auftreten könnten. Wir haben aber nicht damit gerechnet, dass sich die Lage derartig zu spitzt. Ich habe gehofft, dass ich trotz allem nach Deutschland einreisen darf und arbeiten kann. Mitte März, eine Woche vor der geplanten Reise, haben wir dann erfahren, dass wir diese Saison den Bauern auf den Feldern nicht aushelfen dürfen.

Wie verdienst du aktuell Geld, da du momentan nicht als Erntehelfer arbeiten kannst?

Ich arbeite für eine kleine Firma, die unter anderem Rohre verlegt. Doch wegen der Corona-Krise gibt es weniger Arbeit als sonst für uns. Das Geld, was ich hier verdiene, reicht aber kaum zum Leben aus. Der Chef der Firma hat gute Kontakte nach Deutschland und Österreich. Er ermöglicht mir und den anderen Mitarbeitern während der Erntesaison als Helfer zu den Bauern zu reisen, um dort zu helfen. Doch dieses Jahr waren ihm die Hände gebunden.

Die Realität als Erntehelfer

Wie sieht der Alltag als Erntehelfer im Normalfall aus?

Der Arbeitstag beginnt meist um sechs Uhr in der Früh. Danach sind wir bis mittags auf dem Acker. Die Pause verbringen alle Erntehelfer, egal ob als Studentenhilfskraft oder Helfer wie ich, aus dem Ausland, gemeinsam. Während des Essens lerne ich immer neue Leute aus unterschiedlichen Ländern kennen. Ein paar von ihnen treffe ich durch Zufall bei verschieden Bauern wieder. Das überrascht mich immer wieder aufs Neue. Gearbeitet wird bis in den späten Nachmittag. Den Abend lasse ich mit ein paar Zigaretten während Gesellschaftsspielen ausklingen, bevor ich müde ins Bett gehe.

Wie lange unterstützt ihr als Erntehelfer die Bauern auf den Feldern?     

Das ist unterschiedlich und hängt davon ab, ob ein Arbeitsvisum benötigt wird. Da wir mindestens eine Fünftagewoche haben, dürfen wir maximal drei Monate als Erntehelfer im Ausland arbeiten. Ich halte mich meist zwischen sechs und acht Wochen in Deutschland oder Österreich auf.

Wie sieht eure Anreise zu den Bauern nach Deutschland und Österreich üblicherweise aus?

Da wir häufig fünf bis sechs Arbeiter sind, reisen wir meist mit einem Bulli an. Die Fahrt dauert knapp 16 Stunden. Da es schon vorkam, dass wir unsere An- und Abreise selbst finanzieren mussten, ist es für uns natürlich günstiger zu fahren, statt ein Flugticket zu kaufen.

Ihr musstet für eure An- und Abreise aus eigener Tasche bürgen - Stimmen die Vorwürfe wie körperliche und finanzielle Ausbeutung der Hilfskräfte?

Ich würde sagen zum Teil. Ich habe schon erlebt, dass die Unterkünfte oder die Verpflegung nicht angemessen waren oder wir Überstunden auf den Feldern arbeiten sollten, die der Bauer uns nicht bezahlen wollte. Das Schlimmste war, als wir uns zu zehnt ein Zimmer teilen mussten, wo nicht einmal jeder ein Bett zur Verfügung hatte. In der Regel herrscht aber ein gutes Arbeitsklima. Die Bauern sind dankbar, dass wir sie bei der Arbeit unterstützen und zahlen häufig ein paar Euro mehr, als es der Stundenmindestlohn vorschreibt.

Ein Blick in die Zukunft

Hast du noch Hoffnung wieder diese Saison als Erntehelfer arbeiten zu können?

Ja, ich habe mit den anderen Erntehelfern aus der Region einen Antrag gestellt. Hoffentlich ermöglicht dieser uns, wenigstens die letzten Wochen der Saison als Erntehelfer zu arbeiten. Doch es wurde uns erklärt, dass die Bearbeitung bis zu einem Jahr dauern kann, da Serbien kein Mitglied der Europäischen Union ist.

Welchen Plan B hast du, falls du dieses Jahr die Tätigkeit nicht mehr ausführen kannst?

Falls ich dieses Jahr nicht mehr als Erntehelfer arbeiten kann, bleibt mir keine andere Wahl, als an den Wochenenden zusätzlich zu arbeiten. Meine aktuelle Arbeit wird finanziell nicht lange ausreichen. Ich muss mehrere Jobs annehmen. Im schlimmsten Fall, muss ich meiner Frau ebenfalls Arbeit besorgen, damit wir unsere Kinder ernähren und ausreichend für den kalten Winter in Serbien vorsorgen können.

Von Tamara Berg
Veröffentlicht am 17.05.2020