Perspektiven im digitalen Zeitalter

Neue Epoche beim Hörfunk

Schon seit fast einhundert Jahren eines der beliebtesten Medien der Deutschen: Das Radio. Foto: Pixabay

Die Zukunft des Hörfunks ist digital. Der Begriff Radio ändert sich rasant. Lineares Hören verschwindet, Hörer diktieren den Sprachassistenten, was sie wo und wann hören wollen. Doch wie hängt das alles zusammen und wie sieht die Zukunft aus?

BÖNEN. Mit dem Einzug des Internets schien nach und nach das Ende der traditionellen Medien besiegelt zu sein – Doch auch heute wird noch Zeitung gelesen, ferngesehen oder Radio gehört. Das Radio ist ein Sekundärmedium, das in Beziehung menschlichen Multitaskings funktioniert. Es kann im Hintergrund, bei der Arbeit und vor allem beim Autofahren gehört werden. Es ist ein Medium, welches sich schnell an die veränderten Gesellschaftsstrukturen anpasst, wie die Landesanstalt für Medien NRW beschreibt.   

Doch gerade das Geschäft der Radioveranstalter war schon einmal einfacher. Die Anforderungen an sie sind in den vergangenen Jahren deutlich größer und vielfältiger geworden. Um die Hörer erfolgreich zu behalten, mussten die Radiounternehmen eine Vielzahl an Herausforderungen meistern: Durch die digitale Transformation veränderten sich die Mediennutzungsgewohnheiten der Menschen. Und dabei stehen die Sender erst am Anfang. „Die Bedeutung des Internets ist riesig und wird sich stets weiterentwickeln“, schildert Georg Rochholz, stellvertretender Chef der Marketing- und Werbeabteilung von Radio 91.2 aus Dortmund.   

Die nächste Stufe   

Die Digitalisierung des Radios hat im vergangenen Jahr einen großen Sprung gemacht. Immer mehr Hörer verwenden ihre mobilen Endgeräte, um digitale Radiosender zu empfangen. „Der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt und zwar der Volldigitalisierung, ist überschritten“, sagt Cornelia Holsten, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). Denn kein Medium ist interaktiver als ein Smartphone und hebt somit das Radio auf die nächste Stufe. Durch die Konvergenz wird das Radio kommunikativer und präsenter. Mehr als zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland hörten 2019 täglich oder mehrmals wöchentlich Radio. Das ergab eine Umfrage unter 12- bis 19-Jährigen in Deutschland im Rahmen der JIM-Studie (Basisuntersuchung zur Mediennutzung) von dem Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest. Mittlerweile kann jeder Hörer das Programm, welches über das Internet empfangen wird, überall hören. Denn Radio wird immer gerne dann gehört, wenn es in der Ferne aus der Heimat berichtet. „Über das Internet empfangen, kann es auf der ganzen Welt Heimatgefühle wecken“, beschreibt Georg Rochholz.   

Zukünftige Generationen, die mit dem Internet sehr stark verbunden sind, haben einen äußerst souveränen Umgang mit den ihnen zur Verfügung stehenden Angeboten. So wird heute beispielsweise eine persönliche Playlist beim Aufstehen gehört, beim Frühstück wird dann auf einen Radiosender gewechselt und in der Bahn wird wieder die eigene Musik auf Youtube gehört. Das Radio wird somit ein Angebot unter vielen, bei dem nur so lange verweilt wird, wie es in die persönliche Nutzungssituation passt. Noch nie hatten Medienkonsumenten derartig viele Möglichkeiten, das jeweilige Angebot an ihre individuelle Situation anzupassen. „Jetzt ist dies möglich und wird selbstverständlich auch genutzt“, so Rochholz.  

Radio für unterwegs   

Längst haben Radioprogramme ihr Angebotsspektrum von der rein linearen Ausstrahlung zu multimedialen Programmangeboten erweitert – insbesondere diejenigen, die sich an ein jüngeres Publikum richten. Niemand ist mehr auf Sender angewiesen, die sich mit einer Antenne empfangen lassen. Immer mehr Hörer verwenden ihr Smartphone, um digitale Radiosender zu empfangen. Im Rahmen der JIM Studie vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest waren es im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen. Hinter dieser Entwicklung steht die Annahme, dass die Relevanz jüngerer Radioprogramme auch davon abhängt, ob die Zielgruppen Inhalte zum richtigen Zeitpunkt und über geeignete Plattformen professionell angeboten bekommen. In der Studie “Erlebniswelt Radio” der ARD aus dem Jahr 2019 wurden junge Menschen von 14 bis 29 Jahren zu ihrer Audionutzung befragt. Dabei kam heraus, dass ein Radiosender im Durchschnitt über 51 Prozent der jungen Hörer über die eigene Homepage und dessen Radio App gewinnt.   

Radioprogramme begleiten die Menschen durch den Alltag. Ein Nutzungsverhalten, das zum Begleitmedium eines Smartphones passt. Webradio, Podcasts, Musik-Streaming und vieles mehr. Grundsätzlich ist die Radionutzung in Deutschland in den vergangenen Jahren stabil geblieben. „Gerade das Onlineangebot der Sender macht das Radio attraktiv für die Unterwegsnutzung, insbesondere auf dem Smartphone – das heißt auch für die Zielgruppe der 14- bis 29-jährigen“, erzählt Martin Busch, Chefredakteur von Radio 91.2. Die Nutzung von Audios und Podcasts, sowie Live-Radio im Internet und vor allem Musik-Streaming auf verschiedenen Plattformen prägen im Wesentlichen die alltägliche Nutzung von Audioanwendungen insgesamt. Und wenn die App-Nutzung konkret für die Radioprogramme angeschaut wird, werden Anwendungen klassischer Radiosender am häufigsten ausgewählt, schildert Busch.   

Sprachassistenten für Audioentertainment  

Google-Assistant, Siri und Alexa sorgen für einen Umbruch des Radios. Seit der Einführung von Sprachassistenten wird die Nutzung von Audioinhalten aus dem Internet einfacher.  Die Kernfunktion dieser Angebote für die Radiosender ist es, den passenden Radio-Livestream komfortabler abzuspielen: Auf Zuruf. Nach Aussagen vieler Radiosender hat die Radiowelt zunächst reserviert auf Echo und Alexa reagiert. Doch die wachsende Verbreitung von ihnen, lässt die Redaktionen nun verstärkt die Initiative ergreifen. „Wir müssen einfach die Herausforderung der Radioszene annehmen und die große Palette der Möglichkeiten, der Radiozukunft als Chance ansehen und diese für das Überleben des Radios nutzen“, erklärt Busch.   

Der Trend der Sprachassistenten wie Alexa wächst. Es wäre die größte Audioinnovation der letzten Jahre, sagt Martin Busch. Bereits 84 Prozent der Nutzungszeit wird für Audioentertainment, nämlich Musik, Radio, Podcasts und Hörbücher genutzt, wie aus einer Studie von Vaunet (Verband Privater Medien) hervor ging. Davon profitiert das Radio: Jeder zweite hört mit Sprachassistenten mehr Radio als vorher. „Die Voraussetzungen sind gut, denn die Radiomacher wissen ja, wie sie die Hörinhalte erstellen und vermarkten. Jetzt erhalten sie einen zusätzlichen Verbreitungsweg mit viel Entwicklungspotenzial“, beschreibt Georg Rochholz.   

Das Radio der Zukunft  

Mittlerweile können Radiohörer deutschlandweit auf knapp 300 digitale Programme zugreifen, wie aus einer JIM Statistik hervorging. Das Digitalradio DAB+ (Digital Audio Broadcasting), die digitale Verbreitung von Audiosignalen über Antenne, verändert das Radiohören für junge Hörer.

„Die Zukunft des erfolgreichen Massenmediums Radio ist dennoch ohne jeden Zweifel digital. Das ist keine neue Erkenntnis“, schildert Martin Busch. Das Digitalradio agiert besonders zielgruppenspezifisch. Es bietet die Nähe zum Hörer, die Möglichkeit des Teilens von Kommunikation und des Einbindens von Musik und fachspezifischen Inhalten, die auf Hörerinteressen zugeschnitten sind. Nicht zuletzt ist auch die persönliche Affinität der Hörer für die Moderatoren ausschlaggebend für die Beliebtheit einer Sendung. „Die Wachstumsperspektive für das digitale Radio ist deswegen hervorragend“, so Martin Busch.   

Von Michelle Reichelt
Veröffentlicht am 29.05.2020

Michelle Reichelt

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