Internationaler Tag der Pressefreiheit

„Ohne Pressefreiheit sind wir alle unfrei“

Die 22 Länder mit der meisten Pressefreiheit. Foto: Reporter ohne Grenzen
Die Rangliste der Pressefreiheit weltweit: die 21 besten Plätze. Tabelle: Reporter ohne Grenzen

Heute, am 3. Mai, ist der internationale Tag der Pressefreiheit. Presse- und Meinungsfreiheit sind die stärksten Waffen einer Demokratie und können so leicht nicht unterdrückt werden. Sie dürfen nicht verstummen! Daran glaubt MAERKZETTEL und dafür wollen wir jeden Tag stehen. Und doch zeigt ein Blick in die Welt: Die Pressefreiheit ist in Bedrängnis. Wir haben mit Journalisten rund um den Globus gesprochen und sie nach ihrer Einschätzung gefragt.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat am 25. April die Rangliste der Pressefreiheit 2018 veröffentlicht. Sie spiegelt die Entwicklung des Jahres 2017 wieder. Und diese ist erschreckend. Gerade in Europa, das lange Zeit für Pressefreiheit in der westlichen Welt stand, hat sich die Situation verändert. In Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien häuft sich „medienfeindliche Hetze durch Regierungen oder führende Politiker“. In der Türkei ist die Lage noch schlimmer, heißt es im Bericht von Reporter ohne Grenzen. Dort sitzen derzeit über 150 Journalisten hinter Gittern, weil sie ihre Aufgabe erfüllt haben. Sie haben berichtet. Erst letzte Woche hat ein Gericht in der Türkei mehrjährige Haftstrafen gegen führende Mitarbeiter der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ verhängt. Das Gericht verurteilte den Herausgeber Akin Atalay, den Chefredakteur Murat Sabuncu und den Investigativjournalisten Ahmet Sik wegen angeblicher Unterstützung von Terrororganisationen, berichtete die Welt.

USA: Pressefreiheit für nationale Sicherheit eingeschränkt

Ein Blick über den nordatlantischen Ozean zeigt, dass auch in den USA die Lage nicht rosig ist. Die amerikanische Journalismus-Studentin Charlene Faye sagt: „Unser Präsident Trump hat Zeitungen, die ihn kritisierten, den Krieg erklärt. Für uns Amerikaner ist die Pressefreiheit ein wesentlicher Teil unserer Gesellschaft und des Rechtsystems. Ich glaube daran, dass die Pressefreiheit mehr Kraft hat, als einzelne Menschen. Sie ist zu bedeutsam und in Zeiten wie heute brauchen wir sie mehr denn je.“ Die Pressefreiheit ist in den USA im ersten Verfassungszusatz festgeschrieben, wird aber allzu oft mit Verweis auf die nationale Sicherheit eingeschränkt. ROG listet Beispiele dafür: abschreckende Gerichtsurteile, Ausforschung von Telefonanschlüssen, willkürlichen Verhören an Flughäfen und Abstrichen am Informantenschutz. 

„Die Pressefreiheit hat sich den Wünschen von Anzeigenkunden unterzuordnen.“

Harald Stutte, Politikredakteur der Hamburger Morgenpost (MOPO), des Kölner Expresses und des Berliner Kuriers, sowie Buchautor und freier Autor für Reisemagazine sieht ebenso, wie Reporter ohne Grenzen, dass sich die Lage auch in Deutschland verändert hat. „In Deutschland gibt es keine Institution, die die Pressefreiheit gefährdet. Und trotzdem stehen auch hier Medien unter enormen Druck. Traditionelle Medien wie Zeitungen und Zeitschriften verlieren dramatisch an Auflage, Verlage stehen unter wirtschaftlichem Druck, bauen Personal ab und haben oft noch keine Strategie gefunden, wie mit digitalen Inhalten die schwindenden Erlöse aufgefangen werden können. Stellen werden abgebaut, was das Arbeitspensum für die verbleibenden Redakteure erhöht.“

Es seien die kleinen Dinge, die größer werden und einmal angefangen, eine ungute Richtung einschlagen: „Die Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und Anzeigen werden von den Verlagen bewusst verwässert. Die Pressefreiheit hat sich den Wünschen von Anzeigenkunden unterzuordnen.“

Medien werden als „Lügenpresse“ verunglimpft

Harald Stutte sieht aber nicht nur intern Probleme: „Die Tonalität hat sich verschärft, Journalisten werden in Leser-Kommentaren oder sozialen Netzwerken aus der digitalen Anonymität heraus beleidigt, beschimpft und bedroht. Etablierte Medien werden als „Lügenpresse“ verunglimpft, zur Bestätigung des eigenen extremen Weltbildes greift man indes auf „alternative Medien“ zurück, die frei von ethischen Ansprüchen oder gar einem Pressekodex skurrile Weltbilder bedienen.“

Bei Reporter ohne Grenzen steht Deutschland auf Platz 15 von 280. Die Organisation hält in ihrer Länderübersicht fest, dass das Arbeitsumfeld für Journalisten insgesamt noch gut sei, aber sie auch staatlich überwacht werden, wenn sie etwa in der rechtsextremen Szene recherchierten. Journalisten werden von Rechtsextremen und Salafisten angegriffen. Auch der Zugang zu Behördeninformationen sei für jedes Bundesland unterschiedlich und oft mit Zeit und Kosten verbunden. Harald Stutte stimmt all das nachdenklich: „Es scheint, als werde der breite gesellschaftliche Grundkonsens, die Pressefreiheit als eines unserer höchsten Werte zu schützen und zu bewahren, von den erstarkenden extremen Rändern aufgekündigt.“

„Journalisten müssen in der Lage sein, zu berichten, was die Öffentlichkeit wissen muss“

Ein Land mit vorbildlicher Pressefreiheit sind die Niederlande. Sie stehen auf Platz drei von 280. Das liegt laut GOT unter anderem daran, dass jeder zweite Haushalt eine Zeitung abboniert hat, die vielfältige Meinungen wiederspiegeln und gleichzeitig das Fernsehn eine dominierende Informationsrolle hat. Die niederländische Journalistin Anne Cath weiß das zu schätzen: „Pressefreiheit ist wichtig, um die Rolle der Medien als objektive Gewalt zu sichern. Sobald diese weggenommen oder eingeschränkt wird, können die Medien ihre Funktion des Wachhundes nicht mehr erfüllen. Etwas, das um jeden Preis vermieden werden sollte.“ 

Ein europäisches Land, das lange als Musterland der Pressefreiheit galt, ist Großbritannien. Mittlerweile steht es nur noch auf Platz 40. Ein Grund dafür sind die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden. Es wurde bekannt, dass der britische Geheimdienst GCHQ jahrelang Journalisten ausgespäht hat. Die schottische Journalistin Amy Beverige ist trotzdem froh, in einem Land mit Pressefreiheit zu leben, aber auch sie sieht die Probleme jüngster Zeit: „In den letzten Jahren gab es einen Konflikt zwischen dem, was die Presse berichten kann und was sie berichten sollte. Ich glaube, dass es eine feine Grenze zwischen Privatsphäre und Pressefreiheit gibt, die Journalisten durchgehen müssen. Aber Journalisten müssen in der Lage sein, zu berichten, was die Öffentlichkeit wissen muss, ohne Angst vor Rückschlägen zu haben.“

Guter Journalismus kann die Welt verändern 

Doch es gibt nicht nur die Länder, die ihre Pressefreiheit verteidigen, sondern auch, die, die noch auf dem Weg sind oder ihn noch nicht einmal begonnen haben.

Georgien steht auf Platz 61 der Pressefreiheit. Die Journalistin Vika Mirianshvili weiß, dass ihr Land besonders die letzten Jahre viel Wert auf die demokratischen und europäischen Werte legt. „Gerade deswegen sind die professionellen Journalisten diejenige, die unsere Bürger auf gesamtgesellschaftliche Probleme aufmerksam machen, sie aufwecken und über das politische Geschehen richtig informieren, wichtig wie nie.“ Für sie liegt es auf der Hand, dass Journalismus und Demokratie eine unzertrennbare Allianz sind. „Ich habe schon immer fest daran geglaubt, dass guter Journalismus die Welt verändern und sie zu einer besseren machen kann. Ich möchte mit Georgien anfangen.“ Aktuell sind viele georgische Medienhäuser im Besitz privater Eigentümer, die die politische Ausrichtung der Berichterstattung vorgeben.

„Pressefreiheit macht unsere Gedanken frei“

Für Hussam Al Zaher der als syrischer Journalist nach Deutschland geflüchtet ist, sieht die Lage nochmal ganz anders aus. Mit Platz 177 von 280 ist Syrien für Journalisten eines der gefährlichsten Länder der Welt. Das Assad-Regime versucht mit Zensur, Überwachung und willkürlichen Festnahmen, jede unabhängige Berichterstattung zu verhindern. Unliebsame Beobachter werden gefoltert oder ermordet. Er kann dagegen nichts tun, deswegen hat er in Deutschland das „Flüchtling-Magazin“ gegründet, um einen multikulturellen Austausch zu ermöglichen.

„Ohne Pressefreiheit können wir nicht wissen, welche Probleme und Schwierigkeiten unsere Gesellschaft hat. Wir verlieren unsere Freiheit, wenn es sie nicht gibt. Pressefreiheit ist ein Werkzeug zum Ausdruck unserer Freiheit. Sie macht unsere Gedanken frei. Macht unsere Seele frei.“ Hussam Al Zaher weiß wie kein anderer, was das bedeutet: „Ohne Pressefreiheit sind wir alle unfrei.“

Von Melina Seiler
Veröffentlicht am 03.05.2018