Über Soja, Tofu und Steaks

Veggie-Boom: Fleischlos glücklich?

Vegetarismus und Fleischkonsum sind viel diskutierte Themen. Fotos: Michelle Reichelt, Pixabay

Ihre Stimmen werden lauter, und sie werden immer mehr: Menschen, die auf Fleisch verzichten. Veggie-Produkte haben einen festen Platz im Markt eingenommen. Das Interesse an der pflanzlichen Küche wächst. Doch inwieweit ist eine fleischlose Ernährung überhaupt gut für die Gesundheit?

UNNA. Sonntagmittag – Eine Zeit für das gemeinsame Familienessen. Der Tisch ist großzügig gedeckt. Ein aromatischer Duft zieht durch die Wohnung. In der Küche brutzeln noch die Ofenkartoffeln, während auf dem Esstisch schon Schalen mit Kichererbsen-Püree, Avocado-Creme, Cashew-Kräuter Dip und anderen Gemüse-Leckereien bereitstehen.  

Aktuell ernähren sich rund acht Millionen Menschen in Deutschland fleischlos. Dies geht aus einer Analyse von Proveg, einer Unternehmensberatung für V-Label Hersteller (Qualitätssiegel für vegetarische und vegane Produkte) hervor. Deutlich zu erkennen ist der Trend auch global: Geschätzt eine Milliarde Menschen leben heute vegan oder vegetarisch, teilte Proveg mit. Trotz allem wird die fleischlose Ernährung immer noch von vielen Menschen als eine Art seltsamer Auswuchs der Hippie-Bewegung gesehen. Gründe genug, dem Veggie-Boom mit Zahlen und Fakten auf die grüne Wurzel zu fühlen.  

Tierrechte und Klimaschutz  

Die grünen Weiden und hübschen Szenen, die im Kopf jeder verankert ist, sind in der Fleischproduktion nur noch Mangelware. Die Großzahl der Tiere endet im Schlachthaus, ganz gleich aus welchem Betrieb die Tiere stammen. “Mit der sogenannten Intensivtierhaltung strebt die moderne Landwirtschaft danach eine maximale Menge an Fleisch, Milch und Eiern so schnell und preisgünstig wie möglich zu produzieren – und das, bei minimaler Platzanforderung. Oft so beengt, dass sie sich kaum bewegen und nicht einmal umdrehen können.”, teilt Peta mit. Massentierhaltung und die damit verbundenen Qualen sind somit der Standard in Deutschland – und jedes Schnitzel, jedes Steak bringt uns ein Stück näher an die Klimakatastrophe. Denn nach Analysen von Greenpeace verbraucht die Herstellung von tierischen Nahrungsmitteln deutlich mehr Wasser und verursacht die größte Wasserverschmutzung. Des Weiteren werden für das Kraftfutter der Tiere riesige Mengen des Regenwaldes abgeholzt.

Um dennoch zukünftig einen umweltbewussten Fleischkonsum zu schaffen, muss bis zum Jahr 2050 weltweit 50 Prozent weniger Fleisch und Milchprodukte verzehrt werden. “Nur dann können Bauern Lebensmittel so produzieren, dass unsere natürlichen Ressourcen geschützt werden.”, appelliert Greenpeace.  

Gesundheitliche Aspekte  

Viele stellen sich die Frage, ob Vegetarier nachhaltiger leben, denn zumindest spricht vieles dafür: Wer sich fleischlos ernährt, für den müssen keine Tiere sterben. Vegetarier tun etwas für die Gesundheit, für die Umwelt und den Klimaschutz. Vor allem aber für ihr gutes Gewissen. Doch leben Vegetarier wirklich gesünder, wenn sie von der Salami, auf Avocado auf ihrem Brot umsteigen? Stoppen sie den Klimawandel, wenn sie den Sauerbraten durch ein Sojaschnitzel ersetzen? Die meisten Vegetarier und Veganer sind überzeugt von der Richtigkeit ihrer Ernährung.   

Somit bedeutet diese Ernährungsweise, nicht nur eine besondere Ernährung, sondern auch eine bestimmte Lebensweise. Denn Gründe sind häufig ethischer Natur. Aber auch aus gesundheitlichen Gründen nehmen immer mehr Menschen weniger Fleisch zu sich. Nach Angaben vieler Ernährungswissenschaftler, wird durch eine fleischfreie Ernährung die Fett- und Eiweißaufnahme verringert, was der Gesundheit zugute kommt. „Die meisten Menschen nehmen von diesen Nährstoffen zu viel auf und laufen somit langfristig Gefahr an Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes, Gicht oder Fettstoffwechselstörungen zu erkranken. Somit werden Vegetarier im Schnitt älter.“, erzählt Gesundheitscoach und Food-Bloggerin Lynn Hoefer. “Dennoch weisen Fleisch und besonders Innereien eine hohe Dichte auf. So kann man sich durch geringe Mengen eines einfachen Lebensmittels große Mengen lebenswichtiger Vitamine, Mineralstoffe zuführen. Dies zu erreichen ist mit allein pflanzlichen Mitteln sehr viel aufwändiger und weniger effizient.”, wendet der Gesundheitscoach ein. 

Angebot für Veggies wächst und gedeiht  

Früher war Fleisch noch Mangelware. Dies ist nun längst nicht mehr der Fall. Millionen Schweine, Rinder, Hühner und viele weitere Tiere werden jährlich geschlachtet, zum Tiefstpreis verkauft und von Deutschen gegessen. All-You-Can-Eat Restaurants locken mit viel Fleisch für wenig Geld. Doch es gibt eine Gruppe von Menschen, die sich dem Widersetzen: Die Vegetarier. Heutzutage geht der Trend immer mehr in Richtung fleischloser Ernährung. Forscher gehen davon aus, dass diese Entwicklung zum Vegetarismus zukünftig sogar noch stärker werden wird. Zwischen 2025 und 2040, so die Prognosen des Marktforschungsinstituts Nielsen, wird der weltweite Umsatz mit fleischlosen Alternativprodukten stark ansteigen, während der mit Fleisch sinken wird. Dies haben auch längst die großen Lebensmittelunternehmen wie das deutsche Fleischer-Familienunternehmen Rügenwalder, ebenso der Betrieb Wiesenhof, Iglo und viele weitere verstanden und vegetarische Fleischalternativen in ihr Sortiment mitaufgenommen.   

Tofusteak, Seitanwürstchen und jetzt auch noch Burger aus Erbsen. Es sieht aus wie Fleisch, es brutzelt und riecht wie Fleisch in der Pfanne. Der Markt für Fleischersatzprodukte wächst wie die Nachfrage danach. „Wir leben in einer Gesellschaft, die es einfach nicht nötig hat Fleisch zu essen – es gibt so viele Alternativen, also warum dann nicht einfach vegan oder vegetarisch?", erzählt der 25 jährige Student Winand Bergen, der selbst seit Jahren kein Fleisch mehr isst. Ein Gang durch die Supermarktregale bestätigt den Veggie-Trend. Vor wenigen Jahren war die Auswahl an fleischlosen Alternativen deutlich kleiner. Die Kühltheken und Regale aller Supermärkte sind heute mit einem vielseitigen vegetarischen und veganen Angebot gefüllt. Beinahe jedes Produkt ist in einer pflanzlichen Variante erhältlich – sei es das klassische Schnitzel, der Burger-Patty oder die berühmte Currywurst. Doch handelt es sich hierbei um stark verarbeitete Lebensmittel. Stiftung Warentest zeichnete nur eines von 22 vegetarischen Schnitzeln, Frikadellen und Würstchen mit dem Urteil “gut” aus. Als Grund für das schlechte Abschneiden nannten die Verbraucherschützer vor allem Mineralölrückstände, die in vielen Produkten gefunden wurden.  

Mängel durch fleischlose Ernährung?  

Sich vegetarisch zu ernähren oder vegan zu leben ist eine Entscheidung, die immer mehr Menschen für sich treffen. Geht es aber um eine solche Art der Ernährung, stellt sich oft die Frage nach einer ausgewogenen Vitaminzufuhr. Besonders wichtig ist die ausreichende Zufuhr von Eisen, Vitamin D sowie Vitamin B12. „Vegetarier und Veganer haben nicht zwangsläufig einen generellen Mangel an diesen Nährstoffen, im Vergleich zu Mischköstlern. Dennoch wird Eisen tierischen Ursprungs zum Beispiel besser aufgenommen als pflanzliches Eisen, und pflanzliche Lebensmittel enthalten generell weniger Vitamin D als tierische Nahrungsmittel.“, teilte die AOK (Allgemeine Ortskrankenkasse) mit. Eine Ernährung, bei der Fleisch wegfällt, kann, aber muss nicht automatisch gesund sein. Wer als Vegetarier seine Nahrung falsch zusammenstellt, riskiert Mangelerscheinungen und Probleme bei der Verdauung von Nährstoffen. Viele Experten meinen jedoch, dass mit einer abwechslungsreichenvegetarischen Ernährung, viele Vegetarier einen besseren Gesundheitszustand als "Fleischesser“ aufweisen. Sei die Ernährung jedoch unausgewogen, so kann dies zu einem erheblichen Nährstoffmangel führen.    

Bewusste Ernährung 

In den letzten Jahren hat sich der Trend verbreitet, vegan oder vegetarisch zu leben. Vegane Restaurants und Cafés boomen, vegane Kochbücher sind Bestseller. Doch egal, ob das saftige Stück Fleisch, der vegane Milch-Shake oder die in bunten Farben leuchtenden Kürbis-Spaghetti mit duftendem Avocado-Pesto. Ob Vegetarier, Veganer oder Omnivor (Allesesser) – um seinen Körper mit allem Lebenswichtigen zu versorgen, sollte jeder seinen Ernährungsplan optimal zusammenstellen. „Ich ernähre mich hauptsächlich pflanzlich und versuche nur natürliche Zutaten für meine Rezepte zu benutzen. Ich mag sogenannte „Labels“ nicht, deswegen bezeichne ich mich weder als Vegetarier noch als Veganer. Für mich steht die Gesundheit im Fokus. Ich esse das, was mir gut tut und wenn ich merke, dass meine Körper mal wieder Fleisch oder Joghurt braucht, dann esse ich es auch ganz ohne Reue.“, ist die Meinung vom Gesundheitscoach Lynn Hoefer.  

Von Michelle Reichelt
Veröffentlicht am 17.04.2020

Michelle Reichelt

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