Serie: Ehrenamt im Märkischen Kreis

Das Notfallteam für die Seele

Iris Lemmer (li) und Eric Kirchner, zeigen ihre Ausrüstung für den Einsatz. Foto: Lukas Hentschel

Iserlohn. Es klingelt an der Tür. Zwei Polizisten stehen davor. „Wir müssen ihnen leider mitteilen, das ihr Mann verstorben ist“. Ein Schlag in die Magengrube. Damit die Angehörigen nicht ins Bodenlose fallen, gibt es die Notfallseelsorger. Zwei von den ehrenamtlichen Seelsorgern hat Maerkzettel getroffen.

Eric Kirchner und Iris Lemmer sind seit 2011 Notfallseelsorger. Das machen beide neben ihren Vollzeitjobs. Iris Lemmer arbeitet hauptberuflich als kaufmännische Angestellte. Eric Kirchner ist technischer Hausmeister. Maerkzettel hat sie getroffen und gefragt, wie der Alltag als Notfallseelsorger aussieht. Sie erklären uns auch, was die wichtigsten Fähigkeiten sind.

 

Maerkzettel: Wie ist der Ablauf, wenn ein Anruf bei Ihnen ankommt?

 

Kirchner: Informiert werden wir über die Leitstelle der Feuerwehr. Wir kriegen dann einen Anruf mit den wichtigsten Informationen. Bei besonders schlimmen Fällen werden wir gefragt, wie unser allgemeiner Zustand ist. Wenn das zum Beispiel schon der dritte Einsatz in der Woche ist, dann wird vielleicht jemand anders dort hingeschickt. Das soll helfen, damit wir nicht überstrapaziert werden.

 

Lemmer: Wichtig ist auch, dass wir auf uns selbst achten. Wir prüfen dann erstmal selbst, ob wir genug getrunken und gegessen haben. Anschließend gehe ich den Einsatz im Geiste schon mal durch. 

 

Maerkzettel: Was passiert vor Ort?

 

Kirchner: Vor Ort müssen wir uns selber einen Überblick verschaffen. Dann reden wir mit den Rettungskräften und lassen uns auf den aktuellen Stand bringen. Wenn wir wissen was passiert ist, reden wir mit den Angehörigen. Oft ist Zuhörern sehr wichtig. 

 

Maerkzettel: Wie reagieren Menschen in diesen Ausnahmesituationen?

 

Kirchner: Jeder reagiert anders. Ich habe es auch schon erlebt, dass Teller durch die Gegend geschmissen wurden. Es ist wichtig, Ruhe zu bewahren und sich klarzumachen, dass die Person sich Luft machen muss.

 

Lemmer: Wir versuchen, eine Stütze zu sein. Das heißt, dass man manchmal etwas Tröstendes sagen muss, in anderen Situationen muss man auch schweigen können. Menschen, die unter Schock stehen, realisieren oft gar nicht was passiert ist. Wenn eine Todesnachricht überbracht wird, gibt es manchmal keine Reaktion.

 

 

Der tröstende Rucksack

 

Kirchner zeigt mir den Rucksack der Notfallseelsorger. In diesem befinden sich Dinge wie ein Kreuz, Kerzen, Taschentücher, Bibel und noch einiges mehr. Der Rucksack enthält auch Kuscheltiere und Spielzeug,damit Kinder etwas abgelenkt sind. „Manchmal sprechen wir noch ein gemeinsames Gebet oder zünden eine Kerze an“,erklärt Kirchner.

 

 

Maerkzettel: Welche Situationen sind besonders schwierig?

 

Lemmer: Wenn man Kindern eine Todesnachricht überbringen muss, ist das immer hart. Wichtig ist bei Kindern, klare Worte zu wählen. Wir sagen also direkt „Deine Mutter ist gestorben“. Kinder wissen sehr genau, was das Wort sterben bedeutet. Sie trauern auch anders als Erwachsene. So kann es sein, dass sie erst trauern, dann spielen und dann wieder trauern. Sie trauern also nicht an einem Stück.

 

 

Kirchner: Wenn nicht klar ist, ob es sich um eine natürliche Todesursache handelt, wird es oft schwierig. Dann wird erstmal ein Prozess in Gang gesetzt, der etwas dauert. 

 

Maerkzettel: Was passiert, wenn man nicht weiß, ob es eine natürliche Todesursache ist?

 

Die Kriminalpolizei beschlagnahmt die Leiche. Angehörige und Freunde dürfen den Verstorbenen nicht sehen, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.

Dann muss man versuchen, die Leute zu beruhigen, und erklären, wie das weitere Verfahren aussieht, das hilft auch.

 

 

Maerkzettel: Was sind die wichtigsten Fähigkeiten als Notfallseelsorger?

 

Kirchner: Ich würde sagen, Ruhe bewahren ist  die wichtigste Fähigkeit. Es bringt nichts, wenn man in einer Krisensituation selber nervös wird. Man sollte selbst einiges ertragen können. Nicht jeder kann bei dem Anblick einer Leiche ruhig bleiben. 

 

Lemmer: Andere Menschen zu verstehen, ist in diesen Situationen wichtig. Man muss wissen, dass die Reaktionen sehr unterschiedlich sind. Kommunikation ist ebenfalls eine Schlüsselfähigkeit.

 

Maerkzettel: Was würden Sie jemandem raten, der selbst als Notfallseelsorger arbeiten will?

 

Kirchner: 

Er sollte sich erstmal über die Ausbildung gut Informieren. Dafür gibt es eine eigene Website. Die gesamte Ausbildung dauert ein Jahr. Dort lernt man Grundlagen, in verschiedenen Bereichen. Natürlich spielt Psychologie eine Rolle, rechtliche Aspekte werden aber auch angesprochen. Im März 2019 beginnt die Ausbildung wieder.

 

Lemmer: Der Anwärter sollte auch Spaß am Lernen haben. Denn später muss er sich fortbilden, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Eine gewisse Neugier kann auch nicht schaden.

 

 

Im Gespräch zeigt sich, es gibt eine Menge Herausforderungen. Die Seelsorger müssen sehr belastbar sein. Viele Menschen werden sich aber darüber freuen, dass es dieses System gibt. Die Notfallseelsorge ist wie  ein Airbag um, schlimmeres zu verhindern.

Von Lukas Hentschel
Veröffentlicht am 08.12.2018

Lukas Hentschel

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