Spitzensport in Zeiten der Pandemie

Länderspiele trotz Corona – Ein Überblick und eine kritische Einschätzung

Sollten Länderspiele inmitten der Corona-Pandemie stattfinden? Foto: Pixabay

In dieser Woche ist es mal wieder soweit; die Länderspiele im Fußball stehen an. Ob in der EM-Qualifikation, der Nations League oder in einfachen Testspielen, viele Spieler in der Bundesliga und auch in anderen Ländern haben ihre Vereine verlassen und reisen quer durch Europa oder sogar noch weiter. Doch können die Verbände Länderspiele in Zeiten steigender Corona-Infektionen überhaupt verantworten? Ein Kommentar.

„Nicht schon wieder“, würden viele Fußballfans in Deutschland sagen. Die nächste Länderspielpause nach vier Wochen Bundesliga sorgt für Kopfschütteln und große Ungeduld auf den nächsten Spieltag am kommenden Wochenende. Doch nicht nur den Fußballfans sind diese Spiele ein Dorn im Auge. Auch Trainer, Funktionäre und Sportmediziner protestieren gegen den engen Zeitplan. „Diese zusätzlichen Testspiele, die mag der Trainer nicht“, erzählt beispielsweise Borussia Dortmunds Mittelfeldspieler Thomas Delaney, der für Dänemark im Einsatz ist. Gerade für die Top-Teams die noch in den internationalen Wettbewerben unterwegs sind, ist die Belastung ein großes Problem, zu der jetzt auch noch das Risiko einer Corona-Infektion hinzukommt. 

Denken wir mal an die Top-Mannschaften in der Bundesliga. Aus dem normalerweise etwa 25 Mann starken Kader sind meist nur noch 6-8 Spieler bei den Vereinen. Der Rest reist irgendwo in der Weltgeschichte rum und trägt irgendwelche Nations League-Spiele aus, für die sich kaum ein Fußballfan auch nur im Ansatz begeistern kann.

Und wenn dann Spieler nach Belgien oder Ungarn reisen, beides Länder, bei denen das Auswärtige Amt eindeutig von Reisen abrät, dann muss sich auch niemand wundern, dass da  immer mal eine Corona-Infektion dabei sein kann.

 

Der Fußball steht nicht alleine da

Wenn wir mal über den Tellerrand des Fußballs hinausschauen, sehen wir, dass auch andere Sportarten in der gleichen Situation stecken. Vergangene Woche waren die Handballer im Länderspieleinsatz. Die deutsche Auswahl durfte sich mit den Handball-Schwergewichten Bosnien-Herzegowina und Estland messen.

Die Bosnier reisten mit gerade mal 11 anstelle der erlaubten 16 Feldspieler an, da sich der Rest der Mannschaft bereits in Quarantäne befand.

Zwei Tage nach dem Spiel werden weitere bosnische Spieler, die mitgespielt haben, positiv getestet. Die deutsche Mannschaft, bis dahin noch komplett negativ, reist also nach Estland und gewinnt nach Bosnien auch das zweite Quali-Spiel. In den darauffolgenden Tagen tauchen auf einmal vier Coronafälle im deutschen Lager auf. Die Folge; Bundesligaklubs wie die Füchse Berlin, MT Melsungen, GWD Minden oder der TVB Stuttgart müssen in mehreren Partien auf wichtige Spieler verzichten. Wettbewerbsverzerrung ist also vorprogrammiert.

Nicht wenige Nationalspieler haben bereits vor und auch nach der Reise ihre Bedenken geäußert und haben durchaus Recht behalten. Hendrik Pekeler vom THW Kiel nannte die Länderspielreisen „unverantwortlich“. Vom ganzen zusätzlichen Aufwand, den eine Abschottung von der Außenwelt mit sich bringt, wollen wir jetzt mal gar nicht reden.

 

Funktionierende Hygienekonzepte

Werfen wir noch einmal einen Blick zurück auf den 13. März. An diesem Tag wurde in Deutschland der erste Lockdown verkündet und der damals 26. Bundesligaspieltag abgesagt. Auch weitere Sportarten legten ihre Wettkämpfe und Ligabetriebe auf Eis und pausierten. Es folgten anschließend Abbrüche im Eishockey, Handball und vielen weiteren Sportarten.

Doch der Fußball entschied sich dafür, die Saison nach zwei Monaten Pause fortzusetzen.

Am 16. Mai ging es weiter – ohne Fans im Stadion. Die Spieler lebten komplett abgeschottet von der Außenwelt in einer Art „Blase“. Die regelmäßigen Corona-Tests und Isolation haben aber gezeigt, dass es funktionieren kann. Niemand, weder Spieler, noch Trainer, Funktionäre oder sonst irgendein Beteiligter wurde bis zum Ende der Saison positiv getestet.

Also wir halten fest, dass es doch in der Bundesliga funktioniert hat. Warum müssen wir dann das, was in der letzten Saison gut funktioniert hat in der neuen Spielzeit komplett über den Haufen werfen?

Im Prinzip kann lässt es sich doch ganz einfach auf den Punktbringen. Das Hauptproblem liegt eindeutig darin, dass sich mittlerweile durch die ganzen internationalen Spiele so viele Spieler vermischen, dass die Zahl der Kontakte exponentiell zugenommen hat, dass auch Infektionen bei Spielern keine Seltenheit mehr sind. 

Und noch etwas: für sein Land zu spielen ist doch eigentlich das Größte. Die Ehre zu haben, im Nationaltrikot auf dem Feld zu stehen, ist doch für jeden Spieler riesengroß. Und wenn selbst diese Spieler ihre Bedenken äußern, dann sollten alle Sportverbände wissen was zu tun ist. Länderspiele sehr gerne aber nicht mitten während der Corona-Pandemie.

Von Felix Abrahams
Veröffentlicht am 15.11.2020

Felix Abrahams

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